Nasiri: Mein leben bei al-Qaida

Nasiri Mein Leben bei al-QaidaDer islamische Fundamentalismus ist auch deswegen eine so schwer kontrollierbare Herausforderung, weil es für die Sicherheitsorgane westliche Staaten kaum möglich ist, Informanten oder Spione in die Netzwerke sich überall ausbreitenden Terrorzellen zu schleusen. Einer der wenigen Spione, denen es gelang, in ein islamisches Terrorcamp vorzudringen und anschließend im Dienste der britischen und französischen Geheimdienste die afghanischen Terrorcamps und die islamischen Hassprediger in London auszuspähen, ist der Autor des vorliegenden Buches.
Wir befinden uns in den frühen Neunziger Jahren. Nicht nur in Algerien tobt ein blutiger Bürgerkrieg, auch in Bosnien schlachten die Serben die Bosniaken ab, in Tschetschenien morden die Russen, und die Muslime in Kaschmir kämpfen gegen die Inder um ihre Unabhängigkeit. Kein Wunder, dass dies auch einen gemäßigten Muslim wie Omar Nasirir (der seinen ausgiebigen Wein- und Zigarettengenuss gerne als Beweis seiner moderaten Grundhaltung einführt) empört. Was Nasiri über muslimische Kleinkriminelle schreibt, dürfte wohl auch auf ihn zutreffen. „Burschen wie ihn gibt es auf der ganzen Welt,“ heißt es auf Seite 43. „Sie trinken, sie rauchen, sie schnupfen Kokain, in den Augen wahrer Muslime sind sie vollkommen ungläubig. Doch bei der ersten Erwähnung der Umma oder des Dschihad fühlen sie sich plötzlich wieder dem Islam zugehörig.“ Wie dem auch sei, über seinen Bruder Hakim kommt Nasiri mit Islamismen in Kontakt, die im Haus seiner Mutter in Brüssel Propagandaschriften drucken, Waffen aller Art lagern und konspirative Treffen durchführen – alles im Dienst der algerischen GIA, die im Maghreb ein viehisches Massaker nach dem nächsten an unschuldigen Zivilisten verübt. Omar Nasiri, der für diesen Terror unter anderem Waffen nach Marokko schafft und dabei gut verdient, entdeckt plötzlich sein Gewissen, wechselt die Seiten und konspiriert für den französischen Geheimdienst im eigenen Haus, was schließlich zur Verhaftung GIA-Zelle in Brüssel führt.
Nasiris nächster Einsatz führt ihn nach Pakistan, wo es ihm über viele Umwege gelingt, von Peschawar aus in einem Terrorcamp in Afghanistan Aufnahme zu finden. Dort trainieren Araber, Tschetschenen, Bosniaken, Palästinenser, Kaschmiris, Tadschiken, Usbeken, Afghanen und Europamuslime für den „globalen Dschihad“ gegen die Marionettenregimes ihren Heimatländern, gegen Israel, gegen die die USA und ( erstaunlicherweise ) auch gegen den schiitischen Iran, „der den Islam durch seine Irrlehren von innen zersetzen will“. Wenn man dem Autor glauben will, dann geht es im Terrorcamp alles andere als heiter zu: geschlafen wird kaum und wenn, dann nur auf nackter Erde, es wird stundenlang barfuss über die Felsen gelaufen, mit Sprengstoff hantiert, durch eiskalte Gebirgsbäche geschwommen und in jede freien Stunde im Koran gelesen. Es existieren strenge Hierarchien und Aversionen, die Bosniaken sind verachtet, weil sie trinken, die Taliban unbliebt, weil sie den Terrorcamps mitunter die Waffen beschlagnahmen. Richtigen Lenz haben im Terrrocamp nur die „fetten Saudis“, die sich als Geldgeber einen Freizeitausflug ins Dschihadland gönnen und den ganzen Vormittag verschlafen dürfen. Immerhin ist der Terror gegen Unschuldige dem Mudschaheddin verboten(das überrascht den Laien nach dem 11.9. ), allerdings sind Ausnahmen gegen „Feinde“ gestattet, und wer ein „Feind“ ist bestimmt immer noch der Terrorist. Nasisirs Haltung schwankt zwischen solch kritischen Vorbehalten und einer immer ungebremsteren Bewunderung der heldenhaften, „muskulösen“ Mudschaheddin mit ihrem „katzenhaften Gang“, ihren „traurigen Augen“ und ihrer Redlichkeit hin und her, so dass sich der Leser bald fragt, auf welcher Seite der Autor eigentlich steht. (Auch das Nachwort des Geheimdienstexperten Gordon Corera deutet dies an.)
Offenbar war das bald auch für die Geheimdienstoffiziere, die Nasiri führten, nicht mehr klar, denn nach Europa zurückgekehrt, ist mit der Geheimdienstkarriere nach einem wenig ergiebigen Gastspiel im Umkreis der islamischen Hassprediger in den Randbezirken „Londonistans“ bald Schluss. Auch die deutschen Geheimdienste können mit Nasiri nicht mehr viel anfangen, so dass der Spion, der aus dem Terrorcamp kam, sich am Ende in Deutschland mit „entwürdigenden Arbeiten“ ( z. B. Fließbandtätigkeiten ) und Sozialunterstützung durchschlagen muss. Das ist natürlich eine herbe Zumutung. So entstand aus der finanziellen Not des Autors letztlich auch der Antrieb für dieses Buch, das (mit Hilfe eines Ghostwriters) ganz gut geschrieben ist und durchaus interessante Einblicke in die Mentalitäten unserer islamischen Mitbürger vermittelt, für den Autor aber, der wo es nur geht, die Hand aufhält, jedoch nicht viel Sympathie erzeugt.

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