Beuys: Der Große Kurfürst. Der Mann, der Preußen schuf

Beuy Großer KurfürstWenn Geschichte der Roman der Menschheit ist, in dessen letztem Kapitel wir alle als Komparsen erscheinen, ist es natürlich bedauerlich, dass wir als Komparsen so wenig über die Handlung als Ganzes wissen. Erfreulich ist, dass dieser Missstand immerhin eine ganze Armada von polulärwissenschaftlichen Geschichtserklärern von Rudolf Pförtner bis Guido Knopp auf den Plan gerufen hat, die dem Volk erzählen wollen, wie es eigentlich gewesen ist. Unerfreulich ist, dass dabei das große Geschichtsbuch der Menschheit mitunter zum Märchenbuch verkommt.
Bei dem vorliegende populärwissenschaftlichen Buch von Barbara Beuys handelt es aber um kein Märchenbuch sondern um die fundierte Darstellung einer Achsenzeit der europäischen Geschichte. Zwischen 1620 bis 1688, den Lebensdaten des Großen Kurfürsten, entsteht in Frankreich der Absolutismus Scannen0020und in England der Parlamentarismus, entfaltet sich eine Epoche, die den Merkantilismus und die ersten stehenden Heere hervorbringt und deren „stählerne Gehäuse“ ( Max Weber ) bereits die Struktur des modernen Staates ahnen lassen. Portraitiert wird dieses Zeitalter anhand der Figur des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm III, dem es, mit Geschick und Fortune“ gelingt, sein bei seinem Regierungsantritt im Jahre 1640 vollkommen zerrissenes und vom Untergang bedrohtes Land in absolutistischer Manier vollkommen neu zu organisieren. Der Sieg bei Fehrbellin macht aus Friedrich Wilhelm III im Jahre 1675 endgültig den Großen Kurfürsten“, der sein Land dauerhaft von der bedrückenden Macht Schwedens befreite und den Weg zur Großmacht ebnete. Dass dies alles mit Gewalt und – bei der Befreiung Preußens von der polnischen Lehenshoheit – auch unter Bruch des Völkerrechts geschah, wird von Barbara Beuys nicht verschwiegen, auch Friedrich Wilhelms Schaukelpolitik zwischen den Großmächten Frankreich und Russland, die sich in keiner Weise um deutsche Belange kümmerte, werfen aus der Perspektive der Autorin ein problematisches Licht auf den Begründer des preußischen Staates. Weit entfernt von jeder Art der historischen Hagiographie entsteht ein trübes Bild der drückenden Steuerlasten, die diese Politik für die einfache Bevölkerung bedeutete. Nicht zuletzt wegen dadurch hervorgerufenen Landflucht und Entvölkerung wurde schließlich religiöse Toleranz zu einer Überlebensmaxime des preußischen Staates, so dass es Teil der Staatsraison war, den Zehntausenden religiös Verfolgter aus Frankreich und Österreich Staat nach 1685 eine neue Heimat zu bieten.
Barbara Beuys portraitiert den Mann der Preußen schuf“ also durchaus mit kritischer Distanz, aber auch mit Sympathie. Dass sie mitunter in ihren Urteilen zwischen Zustimmung und Ablehnung schwankt, hat auch mit der Natur ihrer Hauptperson zu tun, in dem sich die beiden Seiten Preußens, Militarismus und Toleranz, Traditionalismus und Modernität auf eine eigentümliche Weise verbinden. Ergänzt durch zahlreiche kulturgeschichtliche und dynastische Exkurse und ein vorzügliches Register ist ihr trotzdem eine unterhaltsam geschriebene und seriöse Epochendarstellung gelungen, deren Lektüre ich uneingeschränkt empfehle.Beuy Großer Kurfürst

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