Ohffs: Preußens Könige

Ohffs PreußenAuf S. 184ff. es vorliegenden Buches findet sich eine Episode, die recht gut zeigt, was das Phänomen Preußens eigentlich bedeutete. König Friedrich Wilhelm II war 1797 gestorben, als sein Sohn und Nachfolger Friedrich Wilhelm III (1797-1840) die Güter, die Wertgegenstände und den Schmuck der ehemaligen Hauptmätresse des Vaters, der Gräfin von Lichtenau, beschlagnahmen ließ. Dagegen klagte die Maträsse vor preußischen Gerichten – und diese gaben ihr recht! Sie wurde rehabilitiert, erhielt eine Staatspension, und der neue König musste seien juristische Niederlage zähneknirschend anerkennen.
Mit diesen und vielen anderen Geschichten verdeutlicht der Autor Heinz Ohffs in dem vorliegenden Buch recht eindrucksvoll, dass Preußen viel mehr war als jenes Zerrbild des Militarismus, das die Alliierten 1947 mit einem Federstich in Scannen0017den Orkus der Geschichte schickten. Preußen war ein staunenswerter Staat, der auf schmalster Grundlage erwachsen, für zwei Jahrhunderte die Geschichte Europas maßgeblich mitbestimmte – was um so erstaunlicher ist, da seine Herrschergestalten, mit Ausnahme Friedrichs II (1740-1786) alles andere als imposante Figuren waren.  Aber ganz so schlecht wie sie von der Nachwelt angeschwärzt wurden, waren sie nach Ohffs Meinung auch wieder nicht. Der kleinwüchsige Friedrich I ( 1701-1713), der seine winzige Gestalt durch hohe Schuhe und grotesk hochtoupierte Perücken kaschieren wollte, erwarb immerhin für 6 Millionen Taler vom österreichischen Kaiser Leopold I den Königstitel. Sein Nachfolge Friedrich Wilhelm I (1713-1740) war zwar ein cholerischer Prügelvater, aber auch ein Staatshaushalter, wie es wenige vor und nach ihm gab. Sogar an den beiden blassesten Hohenzollern Friedrich Wilhelm II (1786-1797) und Friedrich Wilhelm III (1797-1840) weiß der Autor ihren kulturellen Geschmack zu schätzen. Auch Wilhelm I (1860-1888) war keineswegs nur der „Kartätschenprinz“ als den ihn die liberale Presse verschrie, sondern immerhin der Mann, der Nerven genug hatte, unter Bismarck preußischer König und deutscher Kaiser zu sein. Sogar Wilhem II (1888-1918) erfährt Gerechtigkeit, denn seine Herrscheraufgabe, so ein Churchill Zitat, war von einem normalen Menschen nicht zu meistern. Wirklich groß war nur Friedrich II ( mit all dem Leid, dass eine solche monarchische Größe für das einfache Volk mit sich bringt) – groß werden können hätte der tragische Kaiser Friedrich (III), der sein Leben lang als liberaler Kaiser auf seinen Regierungsantritt wartete, und dann nach nur drei Monaten Amtszeit 1888 an Krebs starb.
Aber es sind nicht nur die biographischen und psychologischen Skizzen, die der Autor informativ und unterhaltsam entfaltet, auch der Gesamtabriss der peeußisch-deutschen Geschichte im 18. und19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg ist absolut lesenswert. Alles in allem: ein Buch nicht unbedingt für Kenner der preußischen Geschichte aber für Sanscouci Einsteiger und Preußen-Novizen ohne Einschränkungen empfehlenswert.

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