Fatah: Das dunkle Schiff

Die islamischen Gesellschaften im Nahen Osten sind die blutende Wunde der Welt. So viele Menschen werden gequält und ermordet, Opfer werde zu Mördern und umgekehrt, ganze Regionen verelenden, und wer kann, flieht ins Ausland,  ohne dass es ihnen wirklich gelingt, sich aus dem Teufelskreis der Gewalt zu befreien. Das ist eine der Lehren, die ich aus der Lektüre des vorliegenden Buches mitgenommen habe. Denn so sehr die Flüchtlinge, die um nichts weiter kämpfen als um ihre Existenz und ihr Leben, jedes Mitgefühl verdienen, exportieren sie dennoch einen Abklatsch der Gewalt, vor der sie geflohen sind, nach Deutschland, Frankreich, Schweden oder wohin auch immer sie ihre Flucht führen mag. Der millionenfache Flüchtlingsstrom, der derzeit die westliche Welt überschwemmt, destabilisiert langfristig auch die Aufnehmender – nicht zuletzt deswegen, weil unter den Hunderttausenden, die jedes Jahr nach Deutschland kommen, gewalttätige Islamisten ohne Probleme einreisen können.  Begriffen habe ich das zum ersten Mal bei der Lektüre von Sherko Fatahs „Das dunkel Schiff“, dem Roman eines jungen Irakers, der vor der entfesselten Gewalt seines Heimatlandes nach Europa flieht. Es war für mich fast schockierend, am literarischen Beispiel eines einzigen Flüchtlings zu erkennen,  wie ein jeder von ihnen sein eigenes Universum mit eigener Geschichte, eigener Hoffnung und Furcht mit sich trägt, um dann  im Land seiner Flucht doch nur als namenloses Partikel eines kollektiven Problems wahrgenommen zu werden.

Kerim, die Hauptfigur des vorliegenden Buches, ist der älteste Sohn des Gastwirtes, der sich mit seiner Frau und drei Söhnen im Norden des Irak mehr schlecht als recht durchschlägt. Allgegenwärtig ist die Angst vor dem Terror des fernen Diktators, undeutlich sind die Nachrichten von den Kriegen, die der Diktator anzettelt und die die alleine Lage immer weiter verschlechtern. Im Schatten dieser Lebensverhältnisse lernt der kleine Kerim  Englisch, verliebt sich in die Schwester eines Freundes und durchlebt seinen ersten Kontakt mit dem Terror, der der zur Verhaltung eines unschuldigen Opfers führt. Als sein Vater von zwei Geheimpolizisten, die ihr Essen nicht bezahlen worden, gleichsam nebenbei ermordet wird, wird Kerim  zum Familienoberhaupt, das versucht, die verzweifelte Mutter und die beiden jüngeren Söhne durchzubringen. Derweil kämpfen im krisengeschüttelten Irak nach dem Kuwaitkrieg die kurdischen Peschmerga für einen eigenen Staat (damals schon!), während sich radikale Islamisten in den Bergen an der iranischen Grenze festsetzen – mit anderen Worten: der Terror des einstmals allmächtigen Regimes diffundiert auf mehrere Träger und wird insgesamt nur noch schlimmer. Auf einer Reise zu seinen Großeltern gerät Kerim in die Gefangenschaft radikaler Islamisten und wird unter dem Einfluss eines „Lehrers“ zum Gotteskrieger. Zwar stößt ihn die Brutalität der Fundamentalisten ab, doch die Unbedingtheit des Kampfes, die absolute Hingabe des Einzelnen unter eine größere Sache, ergreifen zum ersten Mal Kerims religiöses Sensorium. Ganz bange kann einem werden, wenn man den durch und durch überzeugenden Tiraden eins Fundamentalisten folgt, der seine Männern für den Djihad motiviert. Schrecklich, die Szene, in der einer ganze Dorfbevölkerung die Kehle durchgeschnitten wird, furchterregend die Entschlossenheit der Islamisen, die derartige Verbrechen gutes Gewissens verüben. Was sollen die hedonistischen Witzfiguren des Westens gegen solche Männer ausrichten? Sie besitzen zwar die schlechteren Waffen, doch die Bereitschaft, ihr Leben zu opfern, macht sie unbesiegbar.

Trotzdem entflieht Kerim dem Kreis der Gotteskrieger, nicht ohne dabei einen Batzen Geld mitgehen zu lassen, mit dem er seine Flucht nach Europa organisiert. Die Schilderung dieser Flucht, vor allem der Aufenthalt in einem stinkenden Schiffsbauch, gehört zu den bedrückendsten Passagen des Buches. In Berlin angekommen, erhält er Unterschlupf bei seinem Onkel, lernt eine junge deutsche Frau kennen, die ihn für ihren erotischen Zeitvertreib missbraucht und gerät in Kontakt mit halbkriminellen Jugendlichen, die in den Vorstädten Berlins die Zeit totschlagen. Wieder ist es frappierend, wie selbstverständlich die Moscheen, die Kerim besucht, als Stützpunkte radikaler Islamisten fungieren, ohne dass dies überhaupt zum Thema wird. Neudeutsche Normalität. Im Umkreis einer dieser Moscheen wird Kerim dann von einem Mitglied der Fundamentalisten, die er im Irak verlassen hatte, entdeckt und in ihrem Auftrag ermordet.

Das vorliegende Buch, mit Recht einbezogen in die Endauswahl für den Deutschen Buchpreis des Jahres 2008,  ist ein durch und durch episches Buch, das seinen Gegenstand erzählerisch so mitreißend darstellt, dass man mit der Lektüre kaum aufhören kann. Es ist zweitens ein Buch, das auch bei dem härtesten Zuwanderungskritiker Verständnis und Mitgefühl für die Flüchtlinge weckt, die unter Einsatz ihres Lebens in den gelobten Westen fliehen. Man lernt aus ihm allerdings aber auch, dass der massenhafte Flüchtlingsimport aus Krisenländern bei gleichzeitiger Nichtassimilation nichts weiter erzeugen kann, als Aversion, Vorbehalte und schließlich die Zuwendung zum Islam in seiner intolerantesten Form. Denkt man an die Millionen Asylbewerber, die auf dem Weg nach Deutschland sind, kann einem nur angst und bange werden.

 

 

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