Maupassant: Bel Ami

Maupassant Bel AmiGeorge Duroy, ein  ehemaliger Unteroffizier streicht auf der ersten Seite des vorliegenden Romans ohne einen Sous in der Tasche durch Paris, er besitzt weder Talent noch Überzeugungen, dafür aber Kohldampf bis unter die Arme.  Sein einziges Kapital ist sein ehr gutes Aussehen, seine einzige Motivation: ein berennender Ehrgeiz, nach oben zu kommen. Am Ende des Buches ist er der Schwiegersohn eines millionenschweren Verlegers, Chefredakteur einer einflussreichen Zeitung und Gattin einer blühend schönen jungen Frau.

Geschafft hat der agile Duroy diesen erstaunlichen Aufstieg  durch eine tour de force durch die Betten einflussreicher Damen. Frau Forestier, Frau de Marelle, Frau Walter, lauter Damen in der abnehmenden Blüte ihrer Jahre, wissen den äußerlich so schneidigen Duroy als Liebhaber zu schätzen und fördern ihn nach Leibeskräften (wozu  auch ihre ahnungslosen Ehemänner ihren Teil beitragen). Es werden Wohnungen gemietet, Stelldicheins arrangiert, Insidergeschäfte zwischen den Kissen abgeschlossen, Kampagnen geritten, Liebesschwüre ausgestoßen und zurückgenommen,  als befände man sich den Beziehungskrisentagen unserer Gegenwart.  Am Ende ist aus dem „Bel Ami“ Du Roy der  Baron Du Roy geworden, ein trittsicheres Mitglied der verkommenen französischen Oberschicht, von dem noch viele weitere Schandtaten zu erwarten sind.

Aber sind es wirklich Schandtaten, die der schöne George begeht? Er spielt ein Spiel, das die Oberschichtenfrauen seiner Gesellschaft spielen einfach mit, er benutzt die Affären, modern gesprochen, als „Kanal der vertikalen Mobilität“ und schläft sich aus der Unterklasse in die Elite. Mit Ausnahme der bedauernswerten Madame Walter ist er selbst auch nur eine Schachfigur auf fremden Brettern, wird hin und her geschoben und verplant, bis sich eine noch bessere Gelegenheit ergibt. So ist Maupassants Roman ein ungemein modernes und zugleich auch ungemein trauriges Werk. Modern ist es, weil es die Verstellungen und Tricks der Liebe wie auf einem Seziertisch durchdekliniert, traurig ist es, weil der Erfolg dieser Tricks immer auf Kosten der Liebe geht. Meisterhaft ist der Roman, weil sich der Autor ohne sonderliche Kommentierung darauf beschränkt, die wankelmütige und ganz und gar amoralische Innenwelt seines Protagonisten einfach nur zu übersetzen und dem Leser das Urteil zu überlassen.

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