McCourt: Die Asche meiner Mutter

McCourt Die Asche meiner MutterDas Buch erzählt die autobiographisch angelegte  Geschichte des kleinen Frankie im Irland der Dreißiger und Vierziger Jahre, einer Zeit der bittersten Kargheit und Verelendung, die in akribischer Genauigkeit über die gesamte Länge des Buches dargestellt wird, ohne dass der Roman  auch nur auf einer einzigen Seite langweilig würde. Die Protagonisten sind blutvolle irische Menschen in all ihrer Großartigkeit und Kleinheit – allen voran Angela McCourt, die Titelgeberin des Buches, eine irische Schmerzensmutter, der die Hälfte ihrer Kinder an Schwindsucht stirbt und der  jedes Mittel recht ist, um die andere Hälfte am Leben zu erhalten, eine Aufgabe, die ihr durch ihren Mann – Malachy McCourt – den Mann mit dem „presbyterianischen Wesen und der komischen Art“ keinesfalls erleichtert wird. Denn Malachy McCourt leidet an zwei irischen Generalgebrechen: der Trunksucht und des Sentimentalität, auf deren Altären die Familie beinahe zu schanden kommt, ohne dass diese  dem Vater die Liebe aufkündigt. Aber nicht nur diese beiden Hauptfiguren – auch die  Großmutter, die  Tante, der Onkel, Brüder, Lehrer, Priester und wer auch sonst  noch eine auch nur bescheidene  Rolle im Buch spielt, werden mit Liebe zum Detail und einer raffinierten Erinnerungsmotivik so prägnant beschrieben, dass man sie auch nach Hunderten von Seiten wiedererkennt.   So entsteht ein Portrait Irland in den Charakteren seiner Menschen und eine Mikrostudie der Armut, wie man sie noch nicht gelesen hat. Das wäre schon mehr als genug, wenn all das nicht in einer Form dargestellt würde, die das Erzählte  noch einmal intensiviert: denn Frank McCourt erzählt seine irische Saga aus der Kinderperspektive des kleinen Franke, der munter darauflospalavert, während der  Leser nicht weiß, ob er sich gruseln oder ob er sich amüsieren soll – jawohl: amüsieren, denn der Autor versteht es, dem heranwachsenden Jungen einen  Kinderhumor mitzugeben , bei denen man sich an vielen Stellen das laute Lachen kaum verkneifen kann. So ist neben dem Inhalt und der Form der Humor das dritte Wunder dieses Buches . Köstlicheres als die Sentenzen über den irischen Volkstanz ( Seite 197), die irischen Lehrer ( Seiten  164f. ) und vor allem Jesus in Limerick

( S. 292f. ) hat man lange nicht mehr gelesen.  Am Ende, wenn man das Buch mit Bedauern zuschlägt, bleibt nur das Staunen, und man fragt sich wie es möglich sein kann, dass der Autor  dieses Buch erst nach seiner Pensionierung geschrieben haben soll und wie er  diese Fülle von Geschichten sein Leben lang zusammen mit einer solchen literarischen Kraft hat  mit sich herumtragen können, um sie dann in einem einzigen literarisch hochklassigen „Ausatmen“ von sich zu geben.

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