Rimscha: Die Kennedys. Glanz und Tragik eines amerikanischen Traums

Rimscha KennedysWenn noch jemand daran gezweifelt hat, dass auch demokratische Gesellschaften Mythen benötigen, den belehrt die Geschichte der Kennedys eines Besseren. Wie keine andere Familie der westlichen Welt kommen in dem Aufstieg und der Tragik der Kennedys die Glaubensbereitschaft, die Erlösungssehnsüchte aber auch der Voyeurismus der Massen zum Tragen. Robert von Rimscha hat hinter die Fassaden dieses modernen Mythos geblickt und eine kritische Familiengeschichte der Kennedys vorgelegt, die mit der Masseneinwanderung der Iren im 19. Jhdt. beginnt und mit dem Absturz von John F. Kennedy jr. zur Jahrtausendwende endet.

Alles begann mit den Großvätern, mit John „Honey Fritz“ Fitzgerald (1863-1950) und Patrick Kennedy (1858-1929), die sich als zunächst mittellose, dann erfolgreiche katholisch-irische Einwanderer innerhalb der Demokratischen Partei von Boston kennen lernten und bekämpften. Erst als sich ihre Kinder, Joseph Partrick („Joe“) Kennedy und Rose Fitzgerald ineinander verliebten und im Jahre 1914 heirateten, kamen die beiden Sippen zusammen, womit der 2. Akt der Kennedy Saga begann.

Dieser 2. Akt ist alles andere als eine erbauliche Passage, denn in der Darstellung des Autors figuriert „Joe“ Kennedy als eine durch und durch unsympathische Erscheinung. Vor dem Kriegsdienst im ersten Weltkrieg wusste er sich zu drücken, dafür machte er Millionen durch illegale Insidergeschäfte. Als ein bald steinreiches und einflussreiches politisches Schwergewicht fiel er dem Präsidenten Franklin D. Roosevelt derart auf den Wecker, dass dieser ihn auf den Botschafterposten in London abschob. Dort verbrachte er seine Jahre als der „schlechteste Botschafter, den die USA je gehabt hatte“ und betrog seine Ehefrau nach Strich und Faden in aller Öffentlichkeit. Kein Wunder, dass sich Rose in eine eiskalte Charaktermaske verwandelte, die ihren Gatten nur zum Zwecke der Fortpflanzung ran ließ, ohne sich um ihre auf diese Weise gezeugten neun Kinder sonderlich zu kümmern. Dafür ein kennzeichnendes Detail: als ihre älteste Tochter verhaltensauffällig wurde, ließen die Eltern das Kind kurzerhand lobotomieren, und steckten ihre dadurch seelisch entkernte Tochter lebenslang in ein Heim, ohne sie zu besuchen.

Derweil tingelten die beiden ältesten Söhne, Joe Jr. (geb. 1915) und John Fitzgerald („Jack“) Kennedy (geb. 1917) durch die Welt, immer auf der Suche nach Frauen und leicht zu erwerbenden Auszeichnungen, wobei der Joe jr. als ein unsympathisches Abbild seines Vaters auftrat, während der jüngere und schwächlichere John F. Kennedy als ein sympathischer Kobold eher nach auf seinen jovialen Großvater mütterlicherseits nachschlug. Absolut lesenswert in diesem Zusammenhang: JFKs Affäre mit der schönen Nazi-Sympathisantin Inga Arvad und seine Autoreisen durch das faschistische Mittel- und Südeuropa. Im zweiten Weltkrieg meldeten sich Joe und Jack sofort zur Armee, wobei John F. mit seinem Kanonenboot PT 109 die bekannten Heldentaten im Pazifik beging, während sein Bruder, in der tollkühnen Attitüde, es seinem Bruder gleichzutun, noch im letzten Kriegsjahr im Lufteinsatz umkam.

Nach dem Krieg vollzieht sich im 3. Akt des Kennedy Dramas der Aufstieg von JFK Schlag auf Schlag. 1947 wird er, gerade 29jährig, Abgeordneter im Repräsentantenhaus, 1953 Senator für Massachussets und 1960 Präsidentschaftskandidat der Demokraten. JFKs charismatische und freundliche Wesensart, verbunden mit einer notfalls bedenklosen Entschlossenheit, räumen ihm alle Steine aus dem Weg, so dass er im Jahre 1961 im Alter von nur 43 Jahren als erster katholischer Präsident der USA in das Weiße Haus einzieht. Zu einem amerikanischen Mythos wurden die Kennedys nach Meinung des Autors allerdings erst dadurch, dass sich der Durchbruch des Fernsehens genau in der Zeit vollzog, in der die Kennedys im Weißen Haus ihr „Camelot“ zelebrierten und die ganze Nation am Leben der First Family teilhaben ließen.

Natürlich gab es zwischen der Medieninszenierung, der großen Politik für die Kennedy Brüder auch noch genug Zeit für Sexabenteuer aller Art, die den Präsidenten allerdings in eine unappetitliche Berührungsnähe mit der Mafia brachte. In diesem Kontext muss die Affäre der Kennedys (Jack und Joe – echte Brüder teilen eben alles!) mit Marilyn Monroe in einem besonders obskuren, fast kriminellen Licht erscheinen Übrigens hatten die Frauen im Kennedy Clan, von Rose über Jackie bis Ethel ganz generell nichts zu lachen: sie waren auf die Öffentlichkeit und die Fortpflanzung abonniert, die Leidenschaft lebten die Herren anderswo aus. Absolut ernüchternd auch, was von Rimscha über die Beziehungen der Brüder zur Mafia schreibt, der offenbar in den Plänen der Kennedys eine Jokerrolle bei der Ermordung von Castro zukommen sollte.

Mit der Ermordung JFKs in Dallas scheint der Aufstieg der Kennedys abrupt zu enden – Bobby Kennedy besitzt bei weitem nicht die Aura seines Bruders, und ehe er sich versieht, findet er sich durch den verhassten Lyndon B. Johnson in jeder Beziehung ausgebootet. Erst seine Hinweindung zu den Minderheiten des Landes, seine enthusiastische Entdeckung der Bürgerrechtsfrage ab 1966 und seine Ermordung im Vorwahlkampf von 1968 machen aus ihm einen zweiten Mythenträger, der die Phantasie der Massen beflügelte – wobei von Rimscha mit Fug und Recht bezweifelt, ob Kennedy den Wahlkrampf gegen Nixon 1968 tatsächlich gewonnen hätte.

Bei dem dritten Bruder, Teddy Kennedy, dem „dicken“ Kennedy, der schon in der Schule von seinen Mitschülern gehänselt wurde, kann man das beobachten, was Max Weber als die „Veralltäglichung des Charismas“ beschreibt. Seit Ted Kennedys Fahrerflucht in der Bucht von Chippaquaddick und dem Tod seiner Liebesgespielin war er politisch erledigt. Müde und verspätete Versuche, sich für höhere Ämter als den des Senators von Massachusetts nominieren zu lassen, schlugen fehl, so dass mit ihm und seiner Abdriftung in die äußerste linke Ecke der demokratischen Partei der Kennedy Mythos zu enden schien. Doch nur scheinbar, wie von Rimscha meint, denn als der letzte Träger des „Mythos von Camelot“, JFK jr. in der Blüte seiner Jahre 1999 mit seinem Flugzeug ins Meer stürzte und starb, erstarrte die Nation noch einmal wie schon in den sechziger Jahren.

Das Buch endet schließlich mit einer Schilderung der bescheidenen politischen Erfolge von Kennedys der zweiten Reihe, aber auch mit einer Auflistung all der Drogen- und Sexskandale, in die die Bobby-Kinder und -Neffen verwickelt wurden. So entpuppen sich am Ende die Kennedys als durchaus durchwachsende Sippe, aus der nur die Ausnahmeerscheinung JFK sein einnehmendes Wesen und sein Bruder Bobby durch die Hoffnungen herausragte, die er in den Minderheiten erweckte. Von Rimscha erzählt all das sprachlich unambitioniert und ohne sonderliche Anteilnahme, was in meinen Augen ein Vorzug ist, auch wenn diese Methode beim Leser eine Bereicherung und Verarmung zugleich erzeugt – eine Bereicherung an Information und Durchblick, eine Verarmung an Illusion und Gutgläubigkeit. Der Mythos bleibt dabei auf der Strecke und das ist wahrscheinlich auch gut so.

Reinhold Messner: 13 Spiegel meiner Seele

Messer 13 Spiegel meiner SeeleUnter allen Bergsteigern der Gegenwart dürfte es niemanden geben, bei dem sich die Geister derart scheiden wie bei Reinhold Messner. An seinen schier unglaublichen Leistungen in Gebirgen, Wüsten oder an den Polen kann es nicht liegen – sie haben ihn zum bedeutendsten Extremsportler der Gegenwart gemacht. An dem, was Messner in seinen unzähligen Veröffentlichungen von sich gibt, aber auch nicht, denn bei all seinen Erstbegehungen und Durchschreitungen ist der Südtiroler Bauernsohn selbstkritisch und reflektiert geblieben und mit einer Bescheidenheit ausgestattet, die man vielen seiner unbedeutenden Verächtern von Herzen wünschen würde. Der Titel des vorliegenden Buches „13 Spiegel meiner Seele“ Nepal (40)aber gibt vielleicht eine Antwort. Man geht sicher nicht fehl in der Annahme, dass sich unter den intellektuellen Reflexionskünstlern in den Feuilletons nur sehr wenige Personen befinden, die jemals in ihrem Leben über 8000 Höhenmeter hinausgekommen sind und man wird sich ebenso wenig irren, wenn man unterstellt, dass unter denen, die sich in diesen Todeszonen regelmäßig bewegen, die Neigung zur Selbstenthüllung nicht übermäßig entwickelt ist. So ist es diese seltene Kombination zweier Begabungen, die die jeweils andere Gemeinde über Kreuz enttäuschen und das ihre dazu beitragen mag, Messner in den unverdienten Ruf eines Scharlatans zu bringen.

Wie aber sieht Messner sich selbst? An einer Stelle in dem vorliegenden Buch vergleicht er den Bergsteiger am Fuße einer Riesenwand mit einem Künstler, der ein Werk hervorbringen möchte – nur eben nicht mit den Leinwand und Pinsel sondern mit sich selbst als Bestandteil der Natur. Dieses Kunstwerk, das den Menschen und „auch die Wand“ verändert, führt zur Wahrheit und Erkenntnis – eben zur Erkenntnis dessen, was mein Weisen ausmacht. „Ich bin, was ich tue“, betont Messner in dem vorliegenden Buch, ganz gleich, ob er Grönland zu Fuß durchwandert, die Takla-Makan durchquert, den Kailash umrundet oder in Patagonien klettert. „Ich bin was ich tue“, gilt aber auch, wenn er in Verona eine Präsentation entfaltet, seine Fluchtburg Juval einrichtet oder eine neue Rolle in der Familie findet. Betrachtet man diese und andere der 13 Spiegelansichten der Messnerschen Persönlichkeit, dann wird deutlich: Messner ist es bitterernst mit sich, er macht nichts gleichsam nebenbei sondern ist immer hochkonzentriert bei der Sache. Solcherlei zu verfolgen ist für den Normalmenschen seiner Erscheinungsform als Flachländer durchweg von hohem Interesse, wenngleich hier und da eine Spur Selbstdistanz, ein Quantchen Ironie dem Buch sicher gut getan hätte. Aber auch mit diesem Einwand wird man Messner nicht gerecht: denn mit Selbstdistanz und Ironie wird niemand zu Fuß durch die Antarktis kommen. So schlägt man das Buch am Ende tief beeindruckt aber auch mit dem Gedanken zu: Oh, Reinhold, werden wir dich je verstehen?Messer 13 Spiegel meiner Seele

Cronin: Napoleon

Cronin NapoleinMitunter liebt es die Geschichte, sich in einem Menschen zu verdichten, hat Joachim Fest gesagt, (oder war es Goethe?) und für kaum einen Menschen trifft diese Sentenz mehr zu als für Napoleon Bonaparte, den Beweger der Welt, ohne dessen Wirken die neuere europäische Geschichte nicht verstanden werden kann. Die Versöhnung von Revolution und Tradition, die Entstehung des Nationalismus, die Geburt des bürgerlichen Gesetzbuches, ja, selbst die Freiheit der lateinamerikanischen Staaten und die Modernisierungsbewegung in der arabischen Welt gehen auf den General, Konsul und Kaiser der Franzosen zurück. Wie ein Komet erschien er am Horizont der Geschichte, stieg höher empor als jeder Mensch vor ihm, um dann aber auch ebenso tief zu stürzen. Innerhalb weniger Jahre verlor er zunächst die Kriege, dann den Thron, schließlich auch noch Frau und Kind und am Ende sein Leben auf einer abgelegenen Insel im Südatlantik.
43Vincent Cronin hat es gewagt, dieses epochale Leben von der Geburt Napoleons am 15. August 1769 bis zum schrecklichen Krebstod auf St. Helena am 5. Mai 1821 auf knapp 500 Seiten zu beschreiben. Den Militärstipendiaten in den letzten Jahren des Ancien Regime, den Zeugen des Tuillerienmassakers vom August 1792 und Bonapartes militärisches Coming-out bei den Kämpfen von Toulon 1793, seinen Kartätscheneinsatz im Straßenkampf gegen die Royalisten 1795, die Siege des blutjungen Generals in Italien 1796/7, das ägyptische Abenteuer und die Machtergreifung des Jahres 1799 beschreiben die ersten zehn Kapitel des vorliegenden Buches wie einen Abenteuerroman. Es folgt die Schilderung des Herrschers Napoleon, der zuerst als Konsul, dann als Kaiser den Frieden mit der Kirche schließt, die Staatsfinanzen und das Schulwesen reorganisiert, die alten Eliten zurückruft und die Errungenschaften der Revolution exportiert (Kapitel 11-19). Mit dem „Weg nach Moskau“ beginnt der Abstieg: der Untergang der Großen Armee, die 61Völkerschlacht von Leipzig, das erste Exil in Elba, die Hundert Tage und das Ende auf St. Helena erscheinen dabei wie ein bitterer Kontrapunkt zu der strahlenden Heldengeschichte des napoleonischen Aufstiegs (Kapitel 20-27).
Insgesamt wird man zugeben müssen, dass Cronin den immensen Stoff ungemein unterhaltsam erzählt. Persönliches und Allgemeines, Kurioses und Poetisches ergeben genau die Mixtur, die der geschichtlich interessierte Laie zu schätzen weiß. Niemals in einer Komödie hinsetzen, fordert Napoleon, denn wenn sich ein Schauspieler in einer Komödie hinsetzt, wird das Stück sofort zur Komödie. Zur Lösung des Rassenproblems empfiehlt der Exilant von St. Helena die Heirat eines Mannes mit je einer weißen und einer farbigen Frau, deren Sprösslinge dann in einer gemeinsamen multikulturellen Kinderstube aufwachsen könnten. Allerdings gilt auch: „Romane, insbesondere die von Frauen geschriebenen, verzerren die Wirklichkeit, denn dort wird der Liebe ein zu großer Platz eingeräumt“(S. 461). Es sind nicht zuletzt dergleichen über die ganze Biographie verteilten Dönekens, die den Leser unterhalten und zum Schmunzeln bringen.
Auf der anderen Seite ist nicht zu übersehen, dass Napoleon für Cronin als 66Lichtgestalt erscheint, als der Verbreiter von Liberalität und Menschenrechten, der nur durch die perfiden Umtriebe der Engländer an einem dauerhaften Friedenschluss gehindert wurde. Sicher, Napoleon konnte durchaus ausrasten, seine Untergebenen ohrfeigen und die Gesandten anbrüllen, aber nur um sich am nächsten Tag um so rührender um sie zu kümmern. Dass er den Herzog von Enghien entführen und hinrichten ließ, muss man verstehen, denn trachteten nicht zugleich auch die bourbonischen Schergen ihm selbst nach dem Leben? Auch der Feldzug nach Russland, der Anfang vom Ende, erscheint in der Darstellung Cronins als unausweichlich, denn die humanen Errungenschaften des Empires wurden durch die Expansionsgelüste des russischen Autokratismus in ihrem Kernbestand bedroht. Man sieht, nicht jeder, der Napoleons Verdienste um die Konsolidierung Frankreiches zwischen 1799 bis 1804 anerkennt, wird diesen Urteilen folgen mögen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Schattenseiten des napoleonischen Empire fast vollständig unter den Tisch des Biographen fallen: etwa die erheblichen menschlichen und materiellen Kontributionen, die die abhängigen Gebiete an das Kaiserreich zu entrichten hatten, die Misswirtschaft der Napoleoniden und das völlige Unverständnis gegenüber dem Freiheitsdrang der unterworfenen Völker, das Napoleon schließlich zu Fall brachte. Wenn man es genau betrachtet, werden auch den Mitspielern in diesem großen Menschheitsdrama, etwa Kaiser Franz I, König Friedrich Wilhelm III und Königin Marie Louise, Zar Alexander I , den englischen Regierungschefs, Metternich und allen anderen immer nur Statistenrollen zugeteilt, so dass ihr Handeln meist als treulos und bösartig aber nicht als nachvollziehbar und interessengeleitet erscheint. Das ist ein recht hoher Preis, den der Biograph für die möglichst plastische Präsentation seiner Hauptfigur entrichtet hat.

Knopp: Hitlers Krieger

Knopp Hitlers KriegerAls das deutsche Schlachtschiff „Dresden“ im Herbst 1914 im Pazifik vom Ausbruch des ersten Weltkrieges überrascht wurde, kam das einem Todesurteil gleich, denn gegen die Royal Navy war auf den Weltmeeren kein Kampf zu gewinnen. Die „Dresden“ wird auch schnell von der „Glasgow“ versenkt, die Besatzung kann sich jedoch an das chilenische Ufer retten, wo sie interniert wird. Der junge Seeoffizier Wilhelm Canaris flieht aus der Internierung, überquert im Winter die Anden, durchwandert Argentinien und schlägt sich wieder bis nach Deutschland durch. In den nächsten Jahren arbeitet er als Agent und Kontaktmann des kaiserlichen Heeres in Spanien, um die Versorgung der deutschen U-Boote sicherzustellen. Nach der Niederlage des 1.Weltkrieges schließt sich Canaris den Freikorps an und spielt eine höchst zweifelhafte Rolle bei der Aburteilung der Luxemburg-Liebknecht-Mörder, verhilft sogar einem zur Flucht, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Ganz anders Ernst Udet, eines der Kampffliegerasse des 1. Weltkrieges, der sich in der Zeit Republik als Schauflieger und Partylöwe durchschlägt und der mit seinen Fliegereinsätzen in den ersten deutschen Spielfilmen zum Idol der Jugend aufsteigt. So wie Canaris durch seine Bekanntschaft mit Reinhard Heydrich in der Zeit des Dritten Reiches seinen Aufstieg erlebt, so wird Ernst Udet von seinem ehemaligen Fliegerkollegen Hermann Göring als öffentliche Galionsfigur in die Wiederaufrüstung der deutschen Luftwaffe involviert.
Canaris und Udet, der Chef der Abwehr und das Aushängeschild der Luftwaffe, sind nur zwei von sechs Schicksalen, die Guido Knopp in dem vorliegenden Buch unter dem Titel „Hitlers Krieger“ behandelt. Mit von der Partie sind noch Generalfeldmarschall Rommel, der Held von Nordafrika, dem seine Verstrickung in den Widerstand zum Verhängnis wurde, und Ernst von Manstein, das unbestrittene militärische Genie der Wehrmacht, der geistige Vater des „Sichelschnittes“ gegen Frankreich und der Retter der Kaukasusheere, der es als einziger wagen konnte, Hitler zu widersprechen. Wird man Canaris, Rommel und Manstein das menschliche Format nicht absprechen können, gilt das nur eingeschränkt für den labilen und unsteten Udet und den Generalfeldmarschall Paulus, dem Verlierer von Stalingrad, der anders als der überwiegende Teil seiner 200.000 Soldaten in Russland gut über die Runden kam und der sich, nachdem er dem nationalsozialistischen Regime gedient hatte, nach 1949 auch noch der kommunistischen Propaganda in der DDR zur Verfügung stellte. Als bloßer Ja-Sager ohne jedes eigene menschliche und moralische Format erscheint dagegen Wilhelm Keitel, der Oberbefehlshaber der letzten Kriegsmonate, der sogar den Kommisaarbefehl gegenüber interner Wehmachtskritik verteidigte
So packend die sechs Kurzbiographien von Rommel, Manstein, Keitel, Paulus, Udet und Canaris zu lesen sind – die eigentliche Hauptfigur bleibt Hitler, dessen Faszination alle zunächst erlagen, bis sie sich an der Entwicklung des Regimes rieben, protestierten wie Rommel oder Manstein, resignierten wie Paulus, sich umbrachten wie Udet, kollaborierten wie Keitel oder wenigstens wie Canaris am Ende eines langen Irrweges sich dem Widerstand anschlossen. So kann dieses ausgezeichnete und ungemein spannend geschriebene Buch auch als eine Geschichte Deutschlands in der ersten Hälfte des 20. Jhdts. gelesen werden, verfasst aus sechs Perspektiven, gruppiert um die finale Person Hitlers, der nicht nur diesen sechs sondern ganz Europa zum Verhängnis wurde.Knopp Hitlers Krieger

Fourcans: Die Welt der Wirtschaft etnrätselt

Fourcans WirtschaftZu den sympathischsten Irrtümern der Philosophie gehört der alte sokratische Glaube, dass der Menschen nur das Richtige wissen muss, um es auch zu tun. Wie wenig diese fromme Hoffnung der alltäglichen Lebenspraxis entspricht, kann man alljährlich sehen, wenn der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ der Bundesregierung seine Ratschläge erteilt. Danke, und ab in den Müll! Obwohl die Rezepte zur Behebung der Krise aus ökonomischer Sicht ( außer einem winzigen Prozentsatz unverbesserlicher Uraltkeynsianer) für alle Fachleute klar sind, verharrt die Politik bei Staatsverschuldung, Regulierung, Subventionierung und Ressourcenverschleuderung.
Für einen Ökonomen seinerseits ist das aber keinesfalls erstaunlich, denn Politiker fragen nur in ganz wenigen Ausnahmefällen nach dem Gemeinwohl sondern wie jedes Wirtschaftssubjekt nur nach der persönlichen Nutzenmaximierung, so dass sie vor den Wahlen den Wählern alles versprechen, was Stimmen bringt und sei es ökonomisch auch noch so schwachsinnig (Man denke nur an die Abschaffung des demographischen Faktors durch Gerhard Schröder, eine Maßnahme, mit der er die Wahlen gewann, die die Rentenversicherungen ruinierte und die er fünf Jahre später wieder rückgängig machen musste). Dass sich in Deutschland Hunderttausende vor der Arbeit drücken und auf Kosten des Sozialstaates leben, ist ebenfalls für den Ökonomen wenig überraschend. Auch diese Menschen, denen man keinen moralischen Vorwurf machen sollte, verhalten sich mit ihrer Arbeitsverweigerung marktgerecht, denn die Summe der Sozialtransfers, die diese Personen erhalten, ist in vielen Fallen – gerade bei wenig qualifizierten Tätigkeiten – oft ebenso hoch, als würde die betreffende Person vierzig Stunden in der Woche arbeiten.
Man sieht, die Gesetze der Wirtschaft gelten sogar dann, wenn man versucht, sie zu unterlaufen. Wie aber sehen diese Gesetze der Wirtschaft aus? Sind sie auf einem etwas komplexeren Niveau für den Normalsterblichen ohne mathematische Formel überhaupt verständlich? Ohne weiteres, antwortet Andre Fourcans, der Autor des vorliegenden Buches und unternimmt es, den Leser in 18 Kapiteln in die Grundtatbestände des Wirtschaftens einzuführen. Marktpreise, Angebot und Nachfrage, das Gossensche Gesetz, Inflation, Geldpolitik, Realzins und Nominalzins, absolute und komparative Kostenvorteile, Monetarismus und Fiskalismus, lauter Fachbegriffe, bei denen der Normalbürger unwillkürlich den Kopf einzieht, werden anhand von Beispielen und kleinen Exkursen nachvollziehbar erklärt. Sogar eine ökonomische Theorie der Liebe und Kriminalität ist dem Buch angefügt. Ein Glossar, ein Register und ein Überblick über die großen Ökonomen runden das Buch im Anhang ab. Eine sehr geeignete Einführung für Leute, die endlich wenigstens im Ansatz verstehen wollen, wie die Wirtschaft funktioniert. Warum der Autor aber seine Leser penetrant durch das ganze Buch hindurch duzt, wird seien Geheimnis belieben, für das es noch nicht einmal in der ökonomischen Theorie eine hinreichende Begründung gibt.