Bergen: Die Jagd nach Osama Bin Laden

Der Anschlag auf das World Trade Center  durch die islamistische Terrororganisation Al Kaida eröffnete im September 2001 ein neues Kapitel im weltweiten Kampf zwischen westlicher Moderne und dem islamistischen Fundamentalismus. Der Urheber und maßgebliche Protagonist dieses Terroranschlages, der saudische Milliardärssohn Osama Bin Laden wurde nach dem Anschlag zum Mythos der islamischen Massen und zum meistgesuchten Mann der Welt.

Mit der jahrelangen „Jagd auf  Osama Bin Laden“ und seiner Exekution im pakistanischen Abbottabad beschäftigt sich das vorliegende Buch. Der Autor Peter L. Bergen, der als einer der ersten Journalisten Osama bin Laden in den 1990er  Jahren interviewen durfte, hat zur Abfassung dieses Buches mit allen  Beteiligten der amerikanischen Administration gesprochen, er hat die Schauplätze besucht sowie tausende von Quellen recherchiert und überprüft. Herausgekommen ist ein lehrreiches, spannendes, aber auch erschreckendes Buch. Erschreckend ist es, weil man noch nie in einem einzigen Artikel gelesen hat, wie viele islamistische Anschläge es überall in der Welt gegeben hat. Erschreckend ist der unverhohlene Jubel der Moslems in Pakistan, Afghanistan und anderswo über die Aktionen Al Kaidas – und noch erschreckender ist die  Parteinahme zahlreicher muslimischer Staatsbürger westlicher Staaten, die den Gesellschaften, die sie aufgenommen und ihnen eine neue Heimat geboten haben, ihre Solidarität versagen. Der Autor macht aus diesen Sachverhalten keine große Sache sondern  beschreibt sie kurz und nüchtern nur als Rahmenbedingungen seines Themas.

Das Buch beginnt mit der  Planung der großen Anschläge auf das World Trade Center durch Osama Bin Laden in seinem afghanischen Exil. Bemerkenswert ist, dass   Bin Laden der felsenfesten Überzeugung war, dass  der Anschlag in New York die USA veranlassen würde, sich aus den moslemischen Ländern zurückzuziehen. Bei Spanien  hat dieses Kalkül übrigens später funktioniert, denn nach  dem verheerenden Terroranschlag islamsicher Terroristen in Madrid, bei dem annähernd 200 Menschen zu Tode kamen,  hatte die  sozialistische Regierung nichts Eiligeres zu tun, als ihre Truppen aus Afghanistan abzuziehen,  Diese Einschätzung sollte sich jedoch im Falle der USA als schwerer Fehler erweisen. Die USA reagierten auf die Anschläge von New York mit Krieg, stürzten das Taliban Regime in Afghanistan und  entzogen damit der  der Terrororganisation Al Kaida ihre territoriale Basis. Im Zuge einer gnadenlosen Drohnenjagd nach den führenden Al Kaida-Akteuren starb fast die Hälfte des terroristischen Führungspersonals.

Die Gefangennahme Bin Ladens jedoch schlug fehl. Bin Laden gelang die Flucht aus  den Bergen von Tora Bora in Afghanistan und der Neuaufbau Al Kaidas in den staatenlosen Tälern der pakistanisch-afghanischen Grenzgebiete. Die Stämme des Hindukusch blieben dem Gotteskrieger treu und an Nachschub junger Muslime, die mit den Staatsbürgerschaften Deutschlands, Großbritanniens oder Frankreichs anreisten, konnte er sich nicht beklagen. Bald mussten die Amerikaner auch feststellen, dass der  pakistanische Geheimdienstes ein doppeltes Spiel spielte und selbst in den  Terror verquickt war.

So bleib die  Suche nach Bin Laden jahrelang erfolglos, obwohl die Amerikaner alle nur denkbaren Möglichkeiten angewendeten. Was Osama Bin Laden bei seinen Videoauftritten redete, wurde minuziös untersucht „Wenn er draußen umherging, zogen sie Geologen hinzu, die sagen sollten, ob die Felsen für einen bestimmten Ort in Afghanistan typisch waren. Wenn man im Hintergrund einen Vogel zwitschern hörte, wurde ein deutscher Ornithologe konsultiert, der das Zwitschern analysierte. Wenn Pflanzen zu sehen waren, wurden auch sie in der Hoffnung untersucht, dass sie nur in einer bestimmten Gegend heimisch waren.” Aber alle Bemühungen bleiben erfolglos, zumal der bald ausbrechende Irakkrieg viele Ressourcen der Amerikaner band.  Sogar herbe Rückschläge blieben nicht aus. Ein jordanischer Kinderarzt, den man als Undercover Agent in das Al Kaida-Netzwerk einschleusen wollte, entpuppte sich als Al-Qaida Selbstmordattentäter, dem es gelang, eine hochrangige CIA Beamtin bei einem Kontakttreffen zu  töten.

       Abbottabad am Fuße des Hindukusch

Den Durchbruch brachte schließlich die Analyse des Al Kaida Kurier Systems, wobei der Autor nicht verschweigt, wie hart die  Amerikaner und ihre Verbündeten mit Gefangenen und möglichen Geheimnisträgern  umsprangen.  Ein  Kurier, der unter den Decknamen Al Kuwaiti  jahrelang beobachtet wurde, führte die Amerikaner unwissentlich in  die pakistanische Stadt Abbottabad, wo sie zu ihrer Verblüffung ein festungsartiges, wuchtiges Gebäude mitten in der Stadt entdeckten,  in dem mehrere Familie lebten, ohne sie das Gebäude verließen.  Auch ein groß gewachsener  Bewohner, der nach Umfang und Statur Osama bin Laden hätte sein können, wurde von Drohnenkameras identifiziert.

Obwohl nicht mit letzter Sicherheit bewiesen werden konnte, dass es sich bei diesem „Pacer“ tatsächlich um Bin Laden handelte, wurde nach präsidialer Genehmigung ein  Kampfhubschraubereinsatz in die Wege geleitet, was im Rückblick als eine durchaus heikle Entscheidung angesehen werden muss, denn allen Beteiligten war das Fiasko der gescheiterten Gefangenbefreiung des Jahres 1979 unter der Präsidentschaft von Jimmy Carter noch geläufig. Diesmal aber funktionierte der Einsatz trotz einer Panne optimal. Bin Laden wurde von einem Spezialkommando der Navy Seals in seiner Unterkunft in Abottabad aufgespürt und  exekutiert, alle Navy Seals kehrten mit dem Leichnam Bin Ladens unversehrt  auf afghanisches Staatsgebiet zurück. Die sterblichen Überreste des Terrorchefs wurden noch islamischen Ritus gewaschen und dem Meer übergeben. Sieben Jahre weltweiter Jagd waren zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen.

Im letzten Kapitel seines Buches fragt der Autor nach den weiteren Aussichten der Terrororganisation Al Kaida. Vielleicht etwas zu optimistisch  bescheinigt er ihr „schlechte Aussichten“ nach dem Tod Osama Bin Ladens. Verglichen mit dem Nationalsozialismus oder  dem Kommunismus erscheint ihm nach dem Tod Bin Ladens die Gesamtbedrohung des Westens marginal. Was Al Kaida betrifft, mag der Autor recht haben, was das Gesamtphänomen des Islamismus betrifft, sind seine Schlussfolgerungen aus dem Jahre 2012 überholt. Denn die die unkontrollierte millionenfache muslimische Masseneinwanderung der Jahre 2015/16 hat die Gefährdung des Westens auf eine neue Stufe gehoben. Auch wenn sicher die weit überwiegende Mehrheit der muslimischen Zuwanderung auf der Suche nach einem besseren Leben nach Europa kam, sind hunderte gewalttätiger Gefährder mit dem Migrantenstrom nach Europa gekommen. Seit 2015 zieht sich eine Blutspur des islamistischen Terrors durch Europa, aber auch durch alle anderen Kontinente, auch wenn die Mörder nicht mehr unter einer einheitlichen Führung agieren.  Möglich, dass sich im Rückblick Osama Bin Laden und Al Kaida nur als die Ouvertüre eines asymmetrischen Krieges erweisen wird, der von Jahr zu Jahr an Brisanz gewinnt und dessen Ausgang alles andere als sicher ist.

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