Bräuninger: Was wir lieben mussten

Ein ernstzunehmender Roman aus konservativer Warte, der die Verwandlung freiheitlicher Gesellschaften durch die Massenzuwanderung zum Thema macht, existiert  im deutschen Sprachraum nicht.  Ein solcher Roman müsste lesbar und anmutbar für Menschen verschiedener politischer Denkrichtungen sein und einen Dialog in Gang setzen, der im Idealfall die gesellschaftlichen Narrative verändert. Dafür wäre es unabdingbar, die handelnden Akteure nicht nur als Pappkameraden und bloße Ideenträger, sondern als wirkliche Charaktere abzubilden, deren Motive nachvollziehbar werden, ganz egal, ob man sie ablehnt oder nicht.  Constantin Schreiber ist in  seinem Buch „Die Kandidatin“ das Thema wenigstens inhaltlich angegangen, ohne es allerdings literarisch   meistern.

Das vorliegende Roman „Was wir lieben mussten“ von Werner Bräuninger kann als ein weiterer Versuch gewertet werden, einen solchen kritischen Roman aus „rechter“ Warte vorzulegen. Werner Bräuninger, der  Verfasser kundiger Bücher über Stauffenberg und Mussolini, entwirft in seinem Roman mit Engagement und Furor das Panorama einer deutschen Gesellschaftskrise, an deren Ende – und das ist das Erstaunliche – ein „happy end“, sprich: die Rückwanderung der Migranten in ihre orientalischen Heimatländer steht. Dreh- und Angelpunt des Romans ist Tobias Fechter ein gebildeter, zurückhaltend lebender Konservativer, dessen Karriere sich in einer Sackgasse befindet, weil seine Promotion über die Palästinareise Wilhelm II abgelehnt wurde. Persönlich untadelig und wirtschaftlich abgesichert, fühlt er sich fremd im eigenen Land:  „Fechner wusste, dass er kaputt gehen würde, wenn er im Wohnsilo eines  Berliner Gettos leben musste, gemeinsam mit achtzig verschiedenen Ethnien Tür an Tür, umgeben von Lärm und Scheiße, Pisslachen, Gestank und Gewalt, wo  schon Petitessen, wie ein falsches Wort oder ein abschätziger Blick, genügten, um Messer aufblitzen zu lassen.“ Aber nicht nur in den Wohnsilos fühlt sich Fechner unwohl, auch in seinem eigenen Milieu ist er umgeben von lauter Halunken und Wendehälsen, die jede neue Wendung der offiziellen Politik eilfertig nachvollziehen. Die Protagonisten der offiziellen Politik, die „Meduse“ (Merkel), der „Komtur“ (Maas) und der „Truchsess“(Seehofer) werden in Grund und Boden karikiert. Es ist allerdings gerade die zerrbildhafte Perspektive, mit der der Autor die Gegenseite darstellt, die seinen Roman um die mögliche Pointe bringt. Ein Drama, hat Botho Strauß einmal geschrieben, ist, wenn beide Seiten Recht haben, sonst handelt es sich nicht um ein Drama, sondern um ein Traktat.  Bei aller berechtigten Kritik an den Amtsträgers der bundesdeutschen  Regierung wird man nicht in völlig in Abrede stellen können, dass auch sie von  Motiven getrieben werden, die sie selbst als ehrenwert ansehen (ob sie es sind, ist eine andere Frage). Literarisch angemessen wäre es, beide Seiten nachvollziehbar  darzustellen und dem Leser das Nachdenken und das Urteil selbst zu überlassen. Eine solche intellektuelle Auseinandersetzung auf Augenhöhe müsste ja nicht gleich so  geschliffen daherkommen wie bei Settembrini und Naphta im „Zauberberg“, aber dass nur eine von beiden Seiten unwidersprochen erzählt und schimpft, geht gar nicht. Indem Bräuninger seine Antagonisten unisono als moralische Nullen kennzeichnet, verfährt er im Grunde ähnlich wie die gegenwärtige Linke, die die konservative Seite  moralisch stigmatisiert, um sich vor dem Dialog zu drücken.

So bleibt am Ende der Lektüre nichts als Sympathie mit dem Autor, der an den deutschen Zuständen leidet, dessen Werk aber auf der Ebene einer (nachvollziehbaren) Klage verharrt. Die „Lösung“ der Krise, die massenhafte Rückwanderung der Migranten in ihre orientalischen Heimatländer, trägt unbestreitbar kolportageartige, um nicht zu sagen: märchenhafte Züge. Die Charakterzeichnung der handelnden Figuren verbleibt fast durchgängig im Holzschnitthaften. Lebendig erscheint nur das Innenleben  der Hauptperson Tobias Fechter, ganz einfach, weil er nahezu eins zu eins den Autor Werner Bräuninger identisch ist.

 

 

 

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