Die Extrembergsteiger unserer Tage haben es nicht einfach. Leute, die den vierten Stock nur mit dem Aufzug erreichen können, mäkeln an Klettergenies herum, die die Rupalwand durchsteigen. Psychologen attestieren ihnen ein Peter-Pan-Syndrom, als seien es halb durchgeknallte Knaben, die nur der Spieltrieb in eisige Höhen treibt.
Auch das vorliegende Buch enthält eine Kritik des extremen Bergsportes – allerdings von einem anderen und seriöseren Standpunkt aus. Die Autorin Maria Coffey, selbst eine ausgewiesene Abenteuerin, war einige Jahre mit dem Bergsteiger Joe Tasker zusammen, ehe er im Jahre 1982 an der Nordwand des Everest abstürzte. Auf der Grundlage der eigenen Trauerarbeit, aus dem Kontakt zu anderen Hinterbliebenen und aus der Recherche in der gesamten Bergsteigerszene erwuchs das vorliegende Buch über diejenigen, die für die Wagnisse der Extrembergsteiger die Zeche zahlen: die Hinterbliebenen. Genauer gesagt: es ist eine Fallsammlung, deren einzelne Varianten im wesentlichen immer nach dem gleichen Drehbuch verlaufen: ein naturbegeisterter Bergsportler beginnt mit kleinen Routen, klettert dann immer waghalsigere Touren, verspricht seiner Frau und seinen Kindern immer öfter, bald aufzuhören – bis er am Berg zu Tode kommt. Von Lawinen verschüttet, vom Steinschlag zermalmt, vom Sturm in die Tiefe gerissen, an der Wand abgestützt, erfroren, zerquetscht, verdurstet – so vielfältig wie die Todesszenarien, die den Waghalsigen am Berg erwarten, sind die alptraumhaften Phantasien von eben diesen Todesarten, die die Hinterbliebenen quälen.
Manche Frauen verlassen ihre Männer, weil sie eben dieses Ende fürchten. Andere versuchen sie mit Kindern von ihrem Leben abzubringen, manche Mütter reisen ihren Söhnen ins Base Camp hinterher und fordern vom Expeditionsleiter, dass er sie aus der Wand hole. Es gibt sogar eine Gruppe „anonymer Everestianer“, (S.18) die sich mit Konventionalstrafen gegenseitig davon abhalten wollen, wieder in die Todeszone zu steigen. Meistens aber nutzt es nichts. Kaum ein Sturz ist so schwer, dass nicht irgendwann wieder, die Sehnsucht nach den Bergen erwacht. So liest man das Buch mit großem Mitgefühl, ist aber am Ende eigentlich genauso klug wie am Beginn der Lektüre. Weder gibt ein Mittel gegen die Bergsucht, noch eine Versicherung gegen den Tod, und zu allem Unglück sind gerade die Waghalsigesten in den Wolken oft die Behrtesten auf dem Partnermarkt. So gibt das Buch keine Antworten sondern Anleitungen, wie die Hinterbliebenen mühsam lernen müssen, mit diesem Verlust zu leben. Das macht den Leser traurig und ratlos zugleich.