Comey: Größer als das Amt

James Comey, der 2013 von Barack Obama ernannte FBI Direktor, wurde im Mai 2017 vom neuen Präsidenten Donald Trump von einem auf den anderen Tag gefeuert und öffentlich als „Flasche“ an den Pranger gestellt. Daraufhin schrieb Comey  ein Buch, das sich  850.000 mal verkaufte und in dem er seine Sicht der Dinge darstellt. Dieses Buch beschreibt Comeys Lebensweg als Anwalt, stellvertretender Justizminister in der  Administration von George Bush dem Jüngeren und schließlich als FBI Direktor unter Obama und Trump. In einer sehr zurückhaltenden, reflexiven Diktion bietet es interessante  Einblicke in den Politikbetrieb und das Gehabe der Washingtoner Elite. So wird Präsident Bush jun. als ein meckernder Witzbold beschrieben, der sich gerne über andere lustig macht. Sehr gut kommt Präsident Obama weg, der ein Weltmeister des Zuhörens gewesen sei,  auch wenn er am Ende das machte, was er wollte. Auch die schmutzige Wäsche, ohne die niemand in Washington Karriere machen kann, kommt zur Sprache, etwa die vollkommen ungewöhnliche Begnadigung des Steuerhinterziehers Marc Rich durch Präsident Clinton als Gegenleistung für eine deftige Geldspende für die Clinton-Bibliothek.

Am meisten an dem vorliegenden Buch interessieren natürlich die jüngsten Querelen, bei den Comey als FBI Direktor mehr Schlagzeilen machte, als ihm lieb war: die E-Mail Affäre von Hillary Clinton, Putins Intervention in den US-Wahlkampf, (womit sich Putin wegen Clintons Intervention in den russischen Wahlkampf 2012 revanchieren wollte) und das Verhältnis zu Donald Trump. Die Ermittlungen gegen Hillary Clinton, die geheime Dokumente des Außenministeriums über ihren ungesicherten E-Mail Server laufen ließ, ergeben Schludrigkeit und mangelnde Professionalität, aber kein strafbares Verhalten. Pikant war, dass der  FBI Direktor zunächst die Einstellung der Ermittlungen gegen Clinton verkündete, dann aber in der finalen Phase des Wahlkampfes einen Rückzieher machen musste, weil neues belastendes Material aufgetaucht war.  Dass auch im neuen Material nichts wirklich Belastendes gefunden wurde, konnte den Schaden für Clinton nicht mehr aufwiegen, so dass die unterlegene Kandidatin ihre knappe Niederlage auch dem FBI Direktor anlaste – was dieser relativ glaubhaft in  Abrede stellt.

Dann ist plötzlich Trump gewählt, „der undenkbare Präsident“, mit dem niemand wirklich gerechnet hatte – und sofort kochen die Skandale hoch. Unter dem russischen Hackermaterial, mit dem der russische Geheimdienst Clinton schaden wollte, befindet sich auch belastendes Material gegen Trump, unter anderem das Gerücht, er habe als Gast in einem Moskauer Hotel  im Zuge sexueller Ausschweifungen in der Präsidentensuite  auf das Bett uriniert,  in dem die Obamas geschlafen haben sollen. Comey informiert Trump  über diese Gerüchte und gewinnt bei seinen Treffen mit dem neuen Präsidenten von Mal zu Mal einen ungünstigeren Eindruck. Comey  beschreibt diese Treffen sehr detailliert, fast literarisch, durchsetzt mit Reflektionen zu Intelligenz und Urteilsfähigkeit, mit wenig schmeichelhaften Vergleichen zu Obamas Persönlichkeit und schließlich mit den Bibel Spruch „Der Schuldige flieht, auch wenn ihn keiner jagt.“ Immer stärker wachsen in Comey Zweifel an der persönlichen Integrität Trumps,  vor allem als Trump Comey unter Bruch aller ungeschriebenen Gesetzte auffordert die Ermittlungen gegen seinen ehemaligen Mitarbeiter Flynn nicht weiter durchzuführen. Längst hat Comey begonnen, nach seinen Unterredungen mit dem Präsidenten Memos anzufertigen, weil er ahnt, was auf ihn zukommt. Zum Bruch kommt es schließlich, als Comey Trumps Aufforderung, die Russland Ermittlungen irgendwie niederzuschlagen, nicht nachkommt. Das FBI untersucht die russischen Kontakte einfach weiter, ohne die Direktiven des Präsidenten zu beachten, was nach der geltenden Rechtslage auch durchaus in Ordnung war, weil sich die Präsidenten sich aus FBI Ermittlungen im Prinzip heraushalten müssen.

Im Mai 2017 erfährt Comey völlig überraschend aus dem Fernsehen, dass er gefeuert ist. Noch nicht einmal von den FBI Mitgliedern darf er sich offiziell verabschieden, eine Kampagne gegen ihn bezichtigt ihn der Unfähigkeit und der Illoyalität, was Comey in einer abschließenden Betrachtung am Ende seines Buches energisch zurückweist: „Es klingt vielleicht seltsam“, schreibt er, „aber ich hatte in den gesamten fünf Monaten unter Donald Trump gewollt, dass seine Präsidentschaft erfolgreich würde. Das hat nichts mit politischer Präferenz zu tun. Hätte Hillary Clinton die Wahl gewonnen, hätte ich dasselbe für sie gewollt. Ich glaube, das bedeutet es, sein Land zu lieben. Wir brauchen erfolgreiche Präsidenten. Ich war nicht wütend über meine Erlebnisse mit diesem Präsidenten, ich war traurig.“

Sein abschließendes Urteil über Trump fällt dementsprechend vernichtend aus: „Die Präsidentschaft von Donald Trump ist eine Bedrohung für vieles, das unserer Nation zur Ehre gereicht. Wir alle tragen eine Mitverantwortung für das eher unterirdische Angebot, das uns Wählern bei der Präsidentenwahl von 2016 präsentiert worden ist, und jetzt zahlt unser Land dafür einen hohen Preis: Der gegenwärtige Präsident ist ein Mann ohne Moral und agiert ohne jede Bindung an die Wahrheit und die Werte unserer Demokratie.“

Das sind harte Worte von Jemandem, der in allen politischen Lagern geschätzt wird, und es spricht nicht viel gegen Comeys Darstellung. Muss man deswegen als Trump-Unterstützer seine Position überdenken? Ja und nein, würde Radio Eriwan antworten. Ja, weil es tatsächlich beunruhigend ist, wie viele  Personen Trump verschleißt,  wie sehr er sich auch in seinem ruppigen Habitus im Präsidentenamt gleichgeblieben ist und wie locker er es mit der Wahrheit nimmt. Das ganz und gar kein Verhalten, dass man von einem amerikanischen Präsidenten erwartet und eine manifeste Gefahr für die politische Kultur.

Etwas ganz anderes ist es, wenn man nur Trumps Politik beurteilt. Trump war gewählt worden, um die Globalisierung zugunsten der einfachen Arbeitnehmer abzufedern, die misslungene Obamacare-Reform rückgängig  zu machen und die illegale Einwanderung zu bekämpfen. Daran gemessen, ist seine Bilanz ganz und gar nicht schlecht, so dass sich im Vergleich zu Obama der paradoxe Befund ergibt, dass der menschlich so ansprechende Obama als Präsident eine Katastrophe war und der persönlich so unangenehme Trump bisher Vieles besser gemacht hat. Beunruhigend ist es trotzdem, was Comey schreibt, so dass jedem Trump-Anhänger die Lektüre des vorliegenden Buches zur Austarierung seiner Position ans Herz gelegt werden muss.

 

 

 

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