Das Gletscher-Museum von El Calafate / Patagonien

    In der Innenstadt von El Calafate bestieg ich den kostenfreien Shuttlebus, der die Touristen in Halbstundenabständen zum „Glaciarium“ brachte. Bei dem Glaciarium handelte es sich um   ein aufwändig gestaltetes Gletschermuseum, in dem sich die Gäste der Stadt  über die Entstehung, die Entwicklungszyklen und die Bedeutung von Gletschern im weltweiten Maßstab informieren konnten. Dass der Eintritt in dieses Museum mit umgerechnet 17 Euro teurer war als der Eintrittspreis für den Louvre, schmeckte mir nicht, doch wenn ich schon mal vor Ort war, wollte ich auch hinein.

Aeußerlich ähnelte das Museum einem stilisierten Gletscher, dessen einzelne Streben schief und eingekeilt nebeneinander standen wie Gletscherelemente in einer Gletscherfront. In effektvoll beleuchteten Räumen mit zahlreichen Bildtafeln, Dioramen und Filmausschnitten wurden die wesentlichen Erkenntnisse der Glaziologie dem Besucher auf eine leicht fassliche Weise vermittelt. Die erste Station des Museumsrundgangs informierte über den Schweizer Glaziologen Louis Agassiz (1807-1873), der in seinen Gletscherstudien aus dem Jahre 1840 als einer der ersten behauptet hatte, dass die Oberflächengestalt der Erde hauptsächlich auf Eiszeiten und die in ihnen expandierenden und kontrahierenden Gletschermassen zurückzuführen sei. Die Gletscher, so Agazzis, seien die „Pflugscharen Gottes“, und die rätselhaften Findlinge, die überall in Norddeutschland, der Schweiz, Schottland und sogar in Nordamerika anzutreffen sind, seien nur die „Krümel“, die Gottes Pflug in unendlich ausgedehnten Zeiträumen erzeugte. Obwohl diese Einsicht aus heutiger Sicht bestechend plausibel klingt, benötigte sie wissenschaftsgeschichtlich einige Jahrzehnte, um sich durchzusetzen. Selbst Alexander von Humboldt, einer der Mentoren des jungen Agassiz, soll seinem Protegé geraten haben, nicht so einen Quark zu erzählen, sondern sich lieber mit der Vogelkunde zu beschäftigen.

Die weitere Entwicklung der Glaziologie, die Lehre von den periodisch hereinbrechenden und abflauenden Eiszeiten und Informationen über die innere Struktur eines typischen Gletschers waren die Themen des zweiten großen Saales. Ich lernte, welch unterschiedliche Gesteinsarten der ordinäre Gletscher mit sich durch die Landschaft schiebt, dass es eine Akkumulations- und eine Abbruchzone bei Gletschern gibt und dass sie sich als Ganzes so ruckhaft voran bewegen wie eine gehbehinderte Raupe. Auf einer beleuchteten Tafel wurden verschiedene Moränenlandschaften vorgestellt,  woraus zu lernen war, dass Moränen immer erst dann entstanden, wenn Gletscher schrumpften. Neu für mich war, dass sich 97 % aller Eisfelder in der Antarktis befanden und dass sich die restlichen 3 % auf außerpolaren Zonen aufteilten. Innerhalb dieser 3 % bildeten übrigens die beiden patagonischen Eisfelder die mit Abstand größte Eismasse außerhalb der arktischen Zonen. Mahnend wurde in diesem Zusammenhang vermerkt, dass die patagonischen Eisfelder infolge des Klimawandels immer weiter schrumpften, verschwiegen wurde allerdings, dass dieser Prozess schon seit 50.000 Jahren in Gang war.

In einem weiteren Raum wurde ein „Ranking“ der patagonischen Gletscher präsentiert. Um den ersten Platz rangelten der Upsala und der Viedma-Gletscher, deren Größenangaben zwischen 500 und 600 Quadratkilometer schwankten. Erst an dritter Stelle kam der Perito Moreno-Gletscher mit einer Ausdehnung von etwa 250 Quadratkilometern. Wie unglaublich groß sich diese Fläche in der Realität darstellte, sollte ich am nächsten Tag erfahren.

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