Düffel: Houwelandt

Jorge de Houvelandt, ein arrivierter Architekt der in Spanien lebt, wird bald achtzig. Ein Fest ist fällig, bei der sich die Familiemitglieder treffen und mit dem Jubilar auch sich selbst feiern sollen. So weit, so bekannt. Was aber, wenn die Familie nur recht wenig zu feiern hat? Wenn der Jubilar und der Sohn Thomas und der Enkel Christian sich nichts zu sagen haben?   Jorge,  der Patriarch, der jeden Morgen im Meer schwimmt, ist ein Meister des Schmerzes, ein Selbstgenügsamer, fast ein Sozialautist, den seine Umwelt nicht sonderlich und sein Sohn schon gar nicht interessiert. Thomas der Sohn, hat es als Versager zu keinem Studienabschluss und zu kleinem Beruf gebracht, er hat seine Frau Beate, „die Indianerin“, verloren, und seine Erfüllung darin gefunden, seinen eigenen Sohn Christian vor dem Großvater zu beschützen. Den Enkel Christian, der als Journalist sein Leben weit ab von der Familie lebt, scheint das weniger zu interessieren als seine geplante Familiengründung mit der schönen Ricarda, die allerdings scheinbar ganz andere Pläne hat. Und zwischen alles Stühlen: Ester, Jorge Houvelandts Frau, die Mutter von Thomas und Christians Oma, die der fixan Idee verfallen ist, den Sohn Thomas zum Fest des Alten eine Rede halten zu lassen, die alles wieder ins Lot bringen soll.

 

Man sieht – keine idealen Verhältnisse für die Organisation einer finalen Familienfeier, und tatsächlich kommt auch alles ganz anders. Wie und was geschieht, soll hier nicht verraten werden und ist eigentlich auch gar nicht wichtig. Denn das Buch überzeugt  weniger durch die Handlungsführung und das Romanende als durch die nuancierte psychologische Introspektion, mit der der Autor die Innenwelt seiner Protagonisten erschließt. Es sind die Innenwelten von Familienmenschen wider Willen, die in der Dialektik von Familienexistenz und Individualität ihre je eigenen Wege suchen und feststellen müssen, dass das nie ohne Missverständnisse und Verletzungen abgehen kann, auch wenn keiner mit Absicht bösartig zu Werke ging.

All das wird stilistisch gediegen, fast elegant literarisch entwickelt –  man liest einen Familienroman im zeitlosen Stil und begegnet dabei immer aufs neue, jenen archetypischen Bildern und Szenen, die jeder Mensch, insofern er einer Familie entstammt, wiedererkennen wird.  Ich habe dieses Buch im Vorfeld eines eigenen runden Geburtstages gelesen, und die Lektüre nicht bereut. Für mich war sie eine Vergewisserung dessen, was Familie auch dann bedeutet, wenn die Jahre weitergehen und der Herbst des Lebens naht.

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