Romane haben immer auch eine didaktische Komponente, das heißt, sie wollen etwas sagen, sie wollen dem Leser etwas mitteilen, im ungünstigste Falle wollen ihn auch belehren. Dass solche „didaktischen“ um nicht zu sagen propagandistischen Bücher große Erfolge werden, ist übrigens nicht ungewöhnlich. „Welt in Angst“ von Crichton ist ein erfolgreiches Beispiel aus dem Bereich des sogenannten Klimawandels: In einer regelrechten Räuberpistole über weltweiten Ökoterrorismus entfaltet der Autor seine These vom Klimaschwindel, auf den die die ganze Welt hereingefallen sei. Lesenswert sind hier in diesem Buch vor allem die Tabellen über die Entwicklung des CO2 Ausstosses, die Handlung ist ziemlicher Quark. Ähnliches gilt auch für Schätzings Opus „Der Schwarm“, eine Ökotragödie, die wegen der Zusammenhänge, die sie vermittelt, tatsächlich wie ein (immerhin unterhaltsames) Sachbuch gelesen werden kann.
Auch „Circle“ ist ein durch und durch didaktischer „Roman“, wobei man Roman tatsächlich in Anführungszeichen setzen sollte. Denn Eggers Grundaussage ist schon nach 10 Seiten klar, die Debatten, die zwischen den Antagonisten Mae und Mercer und anderen geführt werden, sind erkennbare Spiegelfechtereien, weil sich kein Leser darüber täuschen kann, wohin die Reise gehen soll. Deswegen braucht an dieser Stelle auch die Handlung nicht skizziert zu werden, die über ein schon lange vorher erkennbares Finale in einen sanften Netz-Totalitarismus ündet, der alles und jeden umgreift.
Die Frage ist nur, wie realistisch ist ein solches Horror-Szenario? Wenn ich es richtig sehe, dreht sich die Diskussion über das vorliegende Buch auch vorwiegend um diese Frage, (über die literarischen Qualitäten des Buches wird vornejm geschwiegen). Wie steht es damit? Meiner Ansicht nach beruht die Egger´´sche Dystopie auf folgenden Voraussetzungen:
(1)der völligen Ausschaltung aller Konkurrenten (Ob sich Google, Facebook, Apple, Microsoft, Ebay und alle die anderen Firmen so einfach in die Tasche stecken lassen, wird man mit Recht bezweifeln können)
(2)der Negierung völlig neuer Marktentwicklungen, die die sich abzeichnende Monopole wertlos machen könnte (man denke nur an die Emails, VHS-Cassetten, Streaming-Systeme, Bezahlsysteme, USB-Sticks usw, Clouds etc)
(3)auf einem unbegrenzten Zeitbudget der Leute und ihre Bereitschaft, dauernd am Bildschirm sitzen und an jedem Nonsens zu partizipieren (zu „liken“)
(4)auf der Bereitschaft der Leute (und Politiker!), sich Geräte in den Körper verpflanzen zu lassen
(5)auf der Selbstauslieferung der Politik an ein monopolistisches Privatunternehmen
(6)und der Bereitschaft der Politik, die Kontrolle einer weltweiten Gesamtcloud einem Privatunternehmen zu überlassen sowie
(7) und (last not least ) auf einer komplett außengeleiteten Charakterstruktur der Menschen (vgl. (David Riesmann: Die Einsame Masse)
Allen diese Aufzählung verdeutlicht den holzschnittartigen Charakter der Eggerschen Dystopie. Ihrem Erfolg hat das nicht beeinträchtigt, denn diese Lektüre wird schon jetzt an der Schule von Referendaren gelesen, die sich für besonders up to date halten. Der Wert des Buches besteht allenfalls darin, dass es Gesprächsanlässe über die digitale Zukunft bietet, auch wenn diese Zukunft möglicherweise ganz anders aussehen wird, als Eggers prognostiziert. Literarisch kann man das Buch allerdings vergessen.