Flaßpöhler: Verzeihen

Die Philosophin Svenja Flaßpöhler gehört zu den anregendsten Sachautoren im deutschen Sprachraum, etwas oberhalb von Richard David Precht positioniert mit Ambitionen auf das Nassehi Niveau. Ihr Geschäftsmodell ist die Anwendung philosophischer Betrachtungsweisen und Einsichten auf gesellschaftliche Fragestellungen, was gar nicht abwertend gemeint ist, weil die Einsichten der Philosophie einem großen Schatz gleichen, der viel zu wenig gehoben wird.  Senja Flaßpöhlrr hat über Elternschaft und Leistungsgesselschat, den Tod, das Verzeihen anregende Bücher verfasst, die mitunter die Grenzen des erlauben Meinungskorridors ein wenig abklopften. In ihrem Buch „Die potente Frau“ ging sie soweit, auf die Pauschalisierungen der Mee-Too Bewegung hinzuweisen, die den Frauen eine neue Opfer Rolle zuweisen würden.

Ihr neues Buch „Verzeihen“ fragt nach den Bedingungen, Grundlagen und Grenzen des Verzeihens. In Anlehnung an Hannah Arendt definiert sie Verzeihen als ein unverzichtbares Ferment des sozialen  Lebens. Aber kann auch wirklich alles verziehen werden? Ja, meint der französische Philosoph Derrida: Gerade das Unverzeihliche ist die wirkliche Herausforderung für Verzeihen. Nein, meint der jüdische Schriftsteller Jankelevicz: „Niemals verzeihen ich den Deutschen ihre Taten, niemanls mehr höre ich deutsche Musik und liese Bücher deutscher Autoren. Keinen kein Fuß setze ich mehr in das Land der Mörder.

Zwischen diesen extremen Polen entfaltet Svenja Flaßpöhler  das Thema in einem dreifachen Angang. Zunächst fragt sie im Kapitel „Verzeihen und Verstehen“ nach den konkreten Situationen, in denen Menschen Schuld auf sich geladen haben. Im zweiten Hauptteil „Verzeihen und Liebe“ geht es um die Paradoxie des Verzeihens, die im Grunde unlogisch und irrrational ist und nur durch das  Gefühl der Liebe erklärbar ist. Schließlich stellt sie im dritten Teil „Verzeihen und Vergessen“ Täter und Opfer gegenüber und fragt In Anlehnung an Friedrich Nietzsche nach der heilsamen Kraft des puren Vergessens. „Das Erinnern, diese später von Freud geforderte psychoanalytische Selbsttechnik, ist für Nietzsche gerade nicht die Bedingung für ein (möglichst) selbstbestimmtes Leben, sondern vielmehr Anzeichen chronischer Verstopfung. Um den Blick in die Zukunft zu richten, muss der Mensch ausblenden können, was an Unverdautem noch im Inneren gären mag. Das Vergessen, so der Philosoph, ist eine Form der Selbstkontrolle, die uns davon abhalten soll, selbstquälerisch zurückzuschauen “ Wie wahr. Das kann sich manch einer, so auch ich, hinter die Ohren schreiben.

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