Franzen: Die Unruhezone

Mit der Weisheit der reifen Jahre auf die liebenswerten Dummheiten der eigenen Kindheit und Jugend zurückzublicken, mit der Souveränität des Erwachsenen die kleinen Katastrophen der frühen Jahre zugleich bejahen und relativieren zu können, hat etwas ungemein Liebeswertes. „Die frühen Jahre“ von Coetze oder „Afrikanische Spiele“ von Ernst Jünger, sind gelungene Beispiele für dieses Genre, nun hat sich auch Jonathan Franzen mit seinem Buch „Die Unuhezone“ in diesem Metier “versucht.

Der für Franzens Verhältnisse schmale Band von ca. 250 Seiten beschreibt die Geschichte eines amerikanischen Mittelschichtskindes deswegen ganz ohne das epische Ambiente der „Korrekturen“, aber durchaus mit beachtlicher sprachlicher Raffinesse Die Gescchichte beginnt interessanterweise mit dem Verkauf des elterlichen Hauses – übrigens genauso wie der  erste  Band der Marquez-Autobiographie „Leben um davon zu erzählen“ – um alsdann die verschiedenen Etappen des eigenen Lebenslaufes  in lockerer Folge abzuhandeln.  Von den  Klippen der Adoleszenz („“Die Adoleszenz genießt man am besten unbefangen, doch leider ist Befangenheit ihr bestimmendes Symptom“), über die unterschiedlichen Möglichkeiten, die in jedem Menschen angelegt sind (dargestellt in einer zauberhaften Szene, in der der kleine Jonathan seinen Piephahn zeigt, um sich anschließend zum Gotterbarmen zu schämen), geht die Lebensreise zu den Jugendcamps der Siebziger Jahren und der ihnen eigenen liberalen Ausdünnung der Gegenwartereligion, über die Eltern und ihre „Komfortzonen“, über die Brüder und die Liebe bis hin zur Ehe, die trotz aller Mühen scheitert –  alles unterhaltsam erzählt, so dass es kaum einen Generationengenossen geben wird, der sich nicht hier und da wiedererkennen und anerkennend sagen wird: Ja, ja, so oder ähnlich ist es gewesen. .

Aber am Ende bleibt doch ein leises Unbehagen. Denn was Franzen erzählt ist nicht sonderlich originell, und das, was originell ist, bliebt in einer eigenttümlichen Schwebe, in einem Nebel, in dem sich der Autor hinter seiner Sprachmacht eher verhüllt als entbirgt.  Dass Franzens Ehe scheitert, dass „sein kleiner Eheplanet kaputt“ geht, ist traurig, wird, wird aber nicht sonderlich einprägsam erzählt. Sein schulischer Schabernack, der im Buch reichlich breiten Raum einnimmt,  erinnert in seiner Betulichkeit ein wenig an die Feuerzangenbowle, und was Franzen über seine orntitologischen Passionen schreibt, könnte auch von Woody Allen stammen. Am überzeugendsten gelungen sind die Passagen über die gegenwärtigen Klima- und Ökohysterie,  aber auch die werden so doppeldeutig vorgetragen, dass man am Ende nicht recht, weiß, ob sich der Autor über dieses Phänomen lustig macht oder wirklich  betroffen ist. Vielleicht aber ist diese Unentschiedenheit zwischen Ernsthaftigkeit und Distanz und das Ozillieren zwischen Enthüllung und Verbergen gerade exemplarische an der Generation, die im vorliegenden Buch beschrieben wird. Vielleicht aber auch nicht.

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