Genazino: Eine Abschweifung

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Wilhelm Genazino bei einer Lesung in Meerbusch-Osterath

Am Anfang ihrer Ehe hatten Ruth und Eckhard alle ihre Probleme miteinander besprochen, doch „sie hatten nicht bemerkt, dass dieses leichte, fast mühelose Verstehen nur deshalb funktionierte, weil sie am Beginn ihrer Ehe nur milde, harmlose Probleme zu bewältigen hatten. Erst in den letzten Jahren hatten sie die Erfahrung machen müssen, dass der Fortlauf des Lebens eine Veränderung mit sich brachte, die sich nicht mehr durch eine Erörterung beseitigen ließ, ja, die sich der Erörterung überhaupt entzog.“(S.18) Am Anfang ihrer Liebe hatten sie vor dem Beischlaf miteinander gebadet, am Anfang ihrer Ehe hatten sie nachher zusammen gebadet, nun badeten sie nur noch stattdessen(S. 81).  So kann es gehen, und keiner weiß so recht, wieso. Eckhard Fuchs, Inendienstleiter eines Versandunternehmens würde seine Frau so gerne noch immer von hinten reiten, während sie aus dem Fenster schaut und die Nachbarin grüßt, doch das sind nur wahnsinnige Tagträume angesichts der abschüssigen Bahn, auf der sich ihre Ehe befindet. Stattdessen vergehen die Tage in Missstimmung über Urlaub, Beförderung, Besuche und die leise Befürchtung des Ehemannes,  eines Tages könnte Ruth zusammen mit der gemeinsamen Tochter das Haus verlassen. Das ist traurig und ergreifend zugleich, und wie im Märchen möchte man den Hauptdarstellern Warnungen zurufen, dieses zu lassen und jenes zu tun, doch das Unheil nimmt seinen Lauf.

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