Goldstein: Hans Blumenberg

 Blumenberg als wie es heißt „maßgeblicher Denker unserer Zeit“ ist mir komplett   entgangen. Wie konnte das passieren? Vielleicht, weil es seine Bücher nicht in billigen Taschenbuchausgaben gab? Vielleicht, weil er im Schatten des unsäglichen langweiligen Habermas stand? Oder weil er selber ein unsäglicher Langeweiler war? Ich hatte keine Ahnung, als ich zu der vorliegenden Werkbiografie von Hans Goldstein griff.

Viel Hoffnung machte mir der Autor nicht. „Nichts liegt bei Blumenberg auf der Hand“, schreibt Goldstein, „immer ist ein zweiter Blick vonnöten“ und natürlich der Einbezug des gesamten Werkes samt des situativen Kontextes. Das konnte ja heiter werden, dachte ich, aber der Autor hatte gottlob einen Trost bereit: sein eigenes Buch, denn: „Das vorliegende Buch sucht Wege durch dieses Hochgebirge der Gelehrsamkeit und philosophischen Reflexion zu bahnen, dabei die verschiedenen Erkenntnisgipfel zu kartographieren, Ein- und Ausblicke zu ermöglichen, Rezeptionsabstürze zu verhindern und schließlich zum eigenen gedanklichen Bergsteigen im Werk dieses Philosophen anzuregen.“

Die Werkbiografie beginnt mit einem Lob des  Zettelkastens, als dessen Hochmeister man  Blumenberg ansehen muss (Aber was ist mit Niklas Luhmann? meldete sich mein Nörgel-Ich) Die Pointe  des Zettelkastens liegt für Goldstein darin, intellektuelle Perlen aus ihrem Kontext herauszulösen und in neue Kontexte einzubeziehen. Es handelt sich also um ein Umpuzzeln  geistesgeschichtlicher Bestände im Horizont neuer Fragestellungen,  Einen Nachteil allerdings hat der Zettelkasten, erfuhr ich. Diese Methode kostet Zeit, aber, so Goldstein: „im Rennen der Philosophie gewinne, wer am langsamsten laufen kann oder der das Ziel zuletzt erreicht.“

Nach der ersten Lektüre des vorliegenden Buches, die tatsächlich geraume Zeit in Anspruch nahm, komme ich zu folgendem vorläufigen Urteil:  Blumenbergs Werk ist eine   gigantische Umwälzanlage, des Geistes, eine Zementmischmaschine der  Kulturgeschichte, an deren Ende nichts herauskommt,  was man nicht schon vorher geahnt hätte. Zweitens, das ist der inhaltliche Ertrag meiner Lektüre, geht es Blumenberg in seinen Büchern um „die Nachzeichnung des Zusammenbruchs aller Gewissheiten am Beginn der Moderne“. Dieser Zusammenbruch aller Gewissheiten am Beginn der Moderne wird von Blumenberg in seinen verschiedenen Werken in bewundernswürdiger Kleinhäxelung in allen nur denkbaren Bereichen abgearbeitet.  Insofern ist Blumenberg ein diachron verfahrender Philosophiehistoriker und enzyklopädisch gebildete Cicerone, der seine Leser in einer   rasanten  Achterbahnfahrt durch die Kulturgeschichte schleust.

Einen wirklich neuen Gedanken fand ich allerdings nicht, was aber auch daran liegen kann, dass meine „alten“ Gedanken, ohne dass ich es wusste, mir bereits in der blumenbergschen Fasson zugewachsen waren.  Dieses Selbstgewahrwerden der eigenen Gedanken als Fluides und  Gewordenes, deren Ursprünge man vergessen hat, könnte man möglicherweise als die „Blumenberg´sche Einsicht“ bezeichnen, aber auch dafür  kann ich meine Hand nicht ins Feuer legen. So blieb mir am Ende meiner Lektüre nur das wohlige Gefühl, das sich am Ende jeder Lektüre einstellt, auch wenn man nur die Hälfte verstanden hat. Sobald ich mich geistig weiterentwickelt habe, worauf ich allerdings nun schon sehr lange warte, werde ich die zweite Hälfe in Angriff nehmen.

 

 

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