Literatur kennt keine Grenzen – selbst die phantastischsten Ideen kann sie zuende fabulieren. Man denke nur an Kafkas Novelle „Die Verwandlung“, in der sich ein ahnungsloser Durchschnittsmensch eines Morgens plötzlich in einen Käfer verwandelt findet. Marlen Haushofers großer Roman „Die Wand“ besitzt einen nicht minder surrealen Ausgangspunkt. Eine Frau, als Gast auf einer Jagdhütte in den Bergen, findet sich plötzlich eines Morgens von einer unsichtbaren aber undurchdringlichen Wand in ein Stück Natur eingesperrt. Jenseits der Wand ist alle Welt erstarrt und erstorben – innerhalb der „Wand“, im Umkreis der ahnungslosen und zunächst entsetzten Frau geht das Leben weiter als sei nichts geschehen. Die Vögel fliegen der Uhu lauert, die Jahreszeiten kommen und gehen, und der Protagonistin bleibt schließlich nichts anderes übrig, als sich zusammen mit einem Hund, einer Katze und einer Kuh auf das Überleben einzurichten. Wie es die Autorin schafft, mit der Schilderung dieses Überlebens fast dreihundert Seiten auf eine mitreißende Weise zu füllen, gehört zu den größten Wundern der deutschen Literatur. Mit einer wunderbar leichten und treffenderen Sprache lässt Haushofer den Leser an der Entstehung einer kompletten Miniaturwelt teilhaben – wie bei Defoes „Robinson Crusoes“ oder Hamsuns „Segen der Erde“ wird gejagt, gefischt, es werden Ställe gebaut,. Bohnen und Kartoffelfelder angelegt, Wege ausgebessert, bis langsam aber sicher die neue Wirklichkeit die alten Erinnerungen überdeckt. Aber das ist aber noch nicht das Geheimnis dieses Buches. Sein Geheimnis und seine Botschaft stecken in der Triebkraft, die diesen Schöpfungen zugrunde liegt: es ist die Liebe und die Sorge um die Mitgeschöpfe, die dem Leben der vereinsamten Frau Sinn und Richtung geben- und es ist eine Liebe, die sich auf eine zugleich bezaubernde und schmerzhafte Weise auch dem Leser mitteilt. Am Ende verursacht der Einbruch eines Menschen Tod und Leid, doch die Protagonistin bleibt ungebrochen, denn es existieren noch Wesen, die ihrer bedürfen. Ein wunderbares Buch, nach dem man sich fühlt, als sei die Seele gewaschen worden.
Marlen Haushofer, eine verkannte Könnerin. Selbst nach ihrer Wiederentdeckung ging m März 2020 ihr fünfzigster Todestag unbeachtet vorüber.
So beschrieben, wie ich es empfunden habe und Freunden empfohlen. Enttäuscht waren wir allerdings von der Verfilmung. Die Protagonistin entsprach nicht dem Bild, das wir uns beim atemlosen Lesen vor Augen geführt hatten, natürlich nicht, die ungeheure „Abständigkeit“ dieser vergessenen, sich total selbst überlassenen Frau, die aufgeht in der Aufgabe, vor die sie sich gestellt sieht. Der Begriff der Pflicht wird hierbei plastisch dargestellt, ist es der Selbsterhaltungstrieb, ist es die Fürsorge für die Mitgeschöpfe oder ist es das tägliche Ritual, dessen wir uns nicht mehr bewußt werden? Herausforderung durch das Schicksal wie auch durch diese mitreißende Lektüre.
Bedrückend für mich dagegen die Erzählungen der Marlen Haushofer. Gern hätte ich mehr erfahren über den Hintergrund dieser Schriftstelkerin.