Hemingway: Schnee auf dem Kilimandscharo

Wenn es einen Autor gibt, der mit L´art por l´art nichts am Hut hat, dann ist es Ernest Hemingway. Jedem seiner Sätze merkt man an, dass es dem Autor ernst ist mit ihm, sie sind Wortschneisen innerhalb einer grandiosen Lakonie, die die Geschichten wie ein düsterer Horizont umgibt. Hemingways Figuren nehmen sich selbst auch ernst, man könnte auch sagen tod-ernst, und da ist für Ironie und Spielerei kein Platz.

Kein Wunder, dass Hemingway der Meister der Kurzgeschichte ist, der vielleicht schwierigsten aller Kunstformen. Sechs davon sind in dem vorliegenden Buch versammelt und es sind sechs der besten, allen voran „Das kurze und glückliche Leben des Franci Macomber“ und das meisterhafte Frühwerk „Oben in Michigan.“ Obwohl jede der Geschichten  eine andere Atmosphäre beschwört, haben die ihre Protagonisten doch eines gemeinsam: es sind Männer; die an ihrem Mannsein tragen, kurz angebunden, trinkfest, geradeheraus aber alle tief im Innern von einer  diffusen Angst geplagt, die sie gerne verdrängen. Doch diese Angst ist da und sie macht die Männer  für die Menschen in ihrer Umgebung –  vor allem für die Frauen –  beherrschbar und fungibel.

Die Hauptperson in „Das kurze und glückliche Leben des Francis Mocomber“ ist solch ein ängstlicher und nicht ganz erwachsen gewordener großer Junge, der es sich so gut es nur geht, selbst beweisen möchte, das er ein furchtloser Vertreter ist. Leider nimmt er  auf einer Afrikasafari bei einem Löwenangriff Reißaus – und das vor den Augen seiner kapriziösen Frau. Er ist erledigt und muss miterleben, wie seine Frau in der Nacht in das Zelt des Großwildjägers kriecht, der in der entscheidenden Sekunde standhielt den Löwen erschoss.

Eine heikle psychologische Konstellation, fürwahr, doch die Geschichte geht noch weiter. Am  nächsten Tag geht es auf Büffeljagd, und diesmal hält auch Frank Macombe stand, er behält kaltes Blut, überwindet seine Angst und tötet einen Büffel, eine berauschende Erfahrung, die ihm selbst vorkommt wie eine Neugeburt, eine „Reinigung der Eingeweide“, die sein Leben verändern wird.  Als dann plötzlich wieder ein verwundeter Büffel  angreift, stellt  sich Francis Macomber erneut, doch ehe er abdrücken kann, trifft ihn die Kugel seiner Frau, die aus dem Wagen heraus schoss. Frank Bascombe stirbt unter der verirrten Kugel seiner Frau, die er nach dem Stahlbad dieser Safari mit Sicherheit verlassen hätte.

Das ist der Plot aus „Der kurze glückliche Leben des Francis Macomber“, der vielleicht besten aller Hemingway Kurzgeschichten, weil in ihr alles enthalten ist, was den Rang dieses Autors ausmacht. Die kurzen Sätze, die Lakonie, die Spannung, die psychologische Introspektion und vor allem die Message: von der Angst wird der Mann nur geheilt, wenn er sich dem Tod stellt, und auch dann nur vielleicht.

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