Hilton: Der verlorene Horizont

Das Buch spielt in den frühen Dreißiger Jahren des 20. Jhdts., als vier Europäer vor einem Aufstand afghanischer  Bergstämme aus Peschawar mit dem Flugzeug entkommen und zu ihrer Überraschung feststellen müssen, dass  der Pilot, anstatt sie nach Süden zu fliegen, den Himalaja überquert, ehe er tief in den Weiten Tibets notlandet.

Buchstäblich am Ende der Welt gestrandet, nähern sich die vier Europäer einem fruchtbaren Hochlandtal, über dem ein märchenhaftes Kloster thront, in dem sie eine Serie von Überraschungen erwartet: Sie treffen  auf Mozart- und Chopinmusik, elektrisches Licht, Spinett und eine Gemeinschaft ehrwürdiger Lamas, die sich zwar nicht zeigen, aber milde und klug das umliegende Gebiet regieren.

Convay, die Hauptfigur des vorliegenden Romans, fühlt sich von der kultivierten Atmosphäre des Klosters fasziniert, „er liebte die abgeklärte Welt, die Shangri-La ihm bot, diese von einer einzigen gewaltigen Idee mehr befriedete, als beherrschte Welt. Er liebte diese Stimmung, in der Gefühle in Gedanken gekleidet waren und Gedanken durch ihre Umformung in Worte zu einem Glücksgefühl beschwichtigt wurden.“  Schließlich wird das Geheimnis von Shangri La gelüftet. Bei den unsichtbaren Lamas handelt es sich in Wahrheit  um hochbetagte aber kaum gealterte Europäer, die es sich zur Lebensaufgabe erkoren  haben, die kulturellen Kostbarkeiten der Welt im Angesicht einer herannahenden Apokalypse nach Tibet zu transportieren und dort für die Nachwelt zu sichern.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute, möchte man sagen, und tatsächlich bricht die Handlung nach der Enthüllung dieser überraschenden Pointe unvermittelt ab. Die vier Europäer verschwinden, und am Ende weiß keiner mehr so recht, wo das sagenhafte Kloster Shangri La verblieben ist. So legt man am Ende ein wenig verwundert das Buch aus der Hand und fragt sich, wieso dieses kleine Werk  einen solchen Weltruhm erringen konnte, dass der Name des „Shangri La“  zum Inbegriff einer friedlichen Gegenwelt werden konnte. Als Schlüssel zu Tibet gibt das Buch überhaupt nichts her –mehr noch: die Bewohner Shangri Las gleichen eher  Chinesen als Tibetern. Psychologisch bleiben die Figuren flach, bis auf wenige Passagen ist die Sprache hölzern, auch die Handlung wird nicht zu einem nachvollziehbaren Ende geführt. Es ist vielmehr die Erfahrung des Zweiten Weltkrieges und die Furcht vor einem Nuklearkrieges, die das Bedürfnis nach einer Traumwelt stimulierte und den Welterfolg des (bereits vorher erschienenen) Romans am Beginn der Fünfziger Jahre begründete.

 

 

 

 

 

Ein Gedanke zu „Hilton: Der verlorene Horizont“

  1. Eine Ergänzung: Der Autor James Hilton besuchte in den 1930er Jahren das abgeschiedene Hunza Tal im pakistanischen Karakortum Gebirge. Die dort sehr idyllisch aufgefassten Lebensumstände der Hunzukutz gaben ihm die Idee ein, ein ideales Tal irgendwo im Himalaya zu beschreiben. Was die Hunzukutz allerdings mit Mozart und Chopin zu tun haben, bleibt schleierhaft. Interessant auch die Details, mit denen der Flug über den Himalaya beschrieben werden. Sie vernmitteln einen Eindruck von den flugtechnischen Möglichkeiten der Dreißiger Jahre.
    Der Prinz

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