Houellebecq: Ausweitung der Kampfzone

„Ausweitung der Kampfzone“ ist  die Geschichte eines dreißigjährigen Software Angestellten, der vollkommen vereinsamt in einer sozial tiefgefrorenen Umwelt lebt. Bemerkenswert ist, wie welch wachen Augen und überzeugenden Begrifflichkeiten der Protagonist sich selbst und seiner Einsamkeit zuschaut. Es handelt sich also um eine Einsamkeit, die sich selbst reflektiert und dazu sogar eine Theorie entwirft. Und die geht so: Die soziale Atomisierung, der der Protagonist unterliegt, ist eine Folge der „Ausweitung der Kampfzone“, d. h. der Ausweitung der neoliberalen Marktgesetze auf den Bereich der Zwischenmenschlichkeit und der Sexualität.  Und wie im Neoliberalismus kommt es auch bei der sexuellen Konkurrenz zum Pauperismus „Manche haben täglich Geschlechtsverkehr; andere fünf- oder sechsmal in ihrem Leben oder überhaupt nie. Manche treiben es mit hundert Frauen, andere mit keiner.“  Rod Steward hat das übrigens noch etwas kürzer ausgedrückt („Some Guys have all the Fun“). Dass in dieser durchkommerzialisierten und hypersexualisierten Welt zwischenmenschliche Werte in die Binsen gehen, notiert der Protagonist auf Schritt und Tritt. „Ich verfiel langsam auf den Gedanken, dass all diese Leute, Männer wie Frauen, überhaupt nicht gestört waren, „sinniert der Protagonist. „Sie litten bloß unter einem Mangel an Liebe. Ihre Gesten, ihr Verhalten, ihre Mimik zeugten von einem herzzerreißenden Durst nach körperlicher Berührung und Zärtlichkeit; aber das war natürlich nicht möglich. Deshalb wimmerten sie, stießen Schreie aus, zerkratzten sich mit ihren Fingernägeln. Während meines Aufenthalts hat einer sich erfolgreich kastriert.”

Am Ende einer deprimierenden Dienstreise im Sold  des französischen Landwirtschaftsministeriums bricht die Hauptfigur zusammen. Nach einem Hospitalaufenthalt verliert sich ihre Spur in einem Waldgebiet, in dem sie sich wahrscheinlich umbringen wird. Ob und wie, bleibt offen, was aber völlig gleichgültig ist, weil die konkrete Handlung, die Houellebecq erzählt,  völlig belanglos ist. Faszinierend aber ist, WIE Houellebecq  sie erzählt: merkwürdig behavioristisch seziert und anschaulich treten dem Leser die Stimmungen, Seelenzustände und Ereignisse der Außenwelt fast ungeschieden  gegenüber, wodurch ein enormer Sog einsteht, der den Leser auf bedrückende Weise mit der Einsamkeit des Protagonisten affiziert. Absolut eindrucksvoll.

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