Houllebecq: Plattform

  Der Autor bleibt sich auch in seinem neuen Roman treu: auf der Suche nach handwerklich perfekter Sexualität als Linderung tief empfundener Verlorenheit verschlaegt es ihn diesmal nach Thailand und Kuba, wo er nicht nur Valerie, die perfekte Partnerin, sondern auch die Loesung für die Sexualprobleme einer halben Milliarde Abendlaender findet: ungehinderten, hemmungslosen Sex unter Palmen im Rahmen eines Cluburlaubs!

Was sich derart verkuerzt reichlich bizzar anhört, wird im Roman mit Ernst und Akribie entwickelt. Im „Aphrodite-Clubkonzept“ gelangen  frustrierte Westler  endlich zu einer Erloesung, die in nichts weiter besteht als in der rueckhaltlosen Dienstleistung  hingebungsvoller Asiatinnen und Suedamerikanerinnen. Unverkennbar, wie der Autor hier das Konzept der „sozialdemokratischen Lust“ aus seinem letzten Roman „Elementarteilchen“ weiterspinnt – unbestreitbar auch, der suggestive Sog seiner Sprache und Erzaehlhaltung, die den Leser fast wider Willen in diesen höheren Bloedsinn hereinzieht. Am Ende sind es islamische Terroristen, die dem Traum vom diesseitigen Paradies im tropischen Sexclub ein Ende bereiten: die ideale Frau des Protagonisten wird erschossen, und der Autor landet als eine Art Zombie in Pattaya, wo er seinen Leben beschliesst.

So weit, so schräg. Wie aber soll man dieses Buch, das jenseits zu allen literarischen Mainstreamregeln funktioniert, bewerten? Truebsinnige Melancholie von fast suicidalem Rang, sexualakrobatische Handwerkskunst auf Pedenantenniveau sowie blitzgescheite kulturkritische Reflexionen  mischen sich in dem vorliegenden Buch mit meisterhaften Reiseportraits eben jener Tabuzonen wie Pattaya, Bangkok, Kuba etc., von denen im Reisefeuilleton  fast niemals die Rede ist. Köstlich die Karikaturen reisender Gutmenschen, die sich über den Sextourismus ereifern, Labsal für die Seele die klaren Worte über den Islam, die der Autor einem Ägypter in den Mund legt und herrlich misanthropisch, was der Autor über Kinder schreibt: „Diese kleinen Drecksäcke machen einem nicht nur das Leben zur Hölle, am Ende beerben sie einen auch noch!“ Alles in allem: unterhaltsam und verstoerend zugleich, nicht zuletzt deswegen, weil der Ueberfall islamischer Fundamentalisten auf den Aphrodite-Club in Krabi in erstaunlicher Weise den schrecklichen Anschlag von Bali vorwegnahm.

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