Isaacson: Steve Jobs

 Steve Jobs  ist der große Verwandler unserer Zeit, schreibt Walter Isaacson in der vorliegenden Biografie. Wie nach  Edison und Ford war die Welt nach seinem Wirken eine andere als vorher.  Zugleich war er eine menschliche Katastrophe, ein Ekelpaket, wie es nur ganz wenige gab, was seinem Nachruhm aber keinen  Abbruch tut. Er war ein Energiebündel und Realitätsverleugner, ein intellektueller Strauchdieb und geniales Trüffelschwein im Aufspüren weltverändernder Innovationen.  Die vorliegende autorisierte Biografie von Walter Isaacson entwirft ein opulentes Panorama dieses erstaunlichen Lebens vor dem Hintergrund der weltumspannenden digitalen Revolution.

Die Biografie beginnt bei Steve Jobs Geburt am 24.2.1955 und endet mit seinem frühen Krebstod im Alter von 56 Jahren am 5.10.2011   Steve Jobs  leiblichen Eltern, eine Amerikanerin und ein syrischer Politikwissenschaftler, gaben ihn nach seiner Geburt zur Adoption frei, weil sie nicht heiraten konnten. Im Unterschied zu den Wünschen der leiblichen Eltern, dass das Kind Akademiker als Adoptiveltern erhalten sollte, wurde das Baby vom Ehepaar  Jobs adoptiert, was sich als Steves Glück herausstellen sollte. Steves Pflegevater Paul Jobs war ein hochbegabter Mechaniker, der sich aus einfachen Verhältnissen emporarbeitete und seinem Sohn in vielfacher Hinsicht zum Vorbild wurde.

Seine Kindheit verbachte Steve Jobs  in Kalifornien der  Nähe des späteren Silicon Valleys, wo es damals gerade mal eine Niederlassung von Hewlett Packard  gab. Es war die Zeit die expandierenden Halbleiterindustrie, die mit ihren immer größeren Geschwindigkeiten gerade erst die physikalischen Grundlagen der digitalen Revolution schuf  In der Schule war Jobs ein verhaltensauffälliges Kind, bis eine Grundschullehrerin seine Unterforderung erkannte und  sorgte dafür, dass er Klassen überspringen konnte.  Beachtlich zu lesen, wie der kleine Steve schon früh zum Navigator seines eigenen Lebenslaufs wurde.  So zwang  er seine Eltern wegen eines von ihm gewünschten  Schulwechsels in eine teure Gegend umzuziehen. Als Jugendlicher nahm er am „Hewlett-Packard Explorer Club“ Wettbewerb teil  und begegnete dabei  zum ersten Mal einem damals noch 18,5 kg schweren Rechner mit dem eigenartigen Gattungsnamen „Computer“. Die neue Technik faszinierte den Jungen, der zum  Eletroniktüftler wird und eigene Lightshows entwickelt. Sein Verhältnis zu Autoritäten jedoch bleibt kritisch, sogar seinen Vater bringt er wegen seiner Kifferei zeitweise gegen sich auf.

Lebensentscheidend wird Steve Jobs Begegnung mit Steve Wozniak, einen vier Jahre älteren genialen Elektroniktechniker. Die  „Blue Box“, ein Gerät, mit dem man kostenlos die öffentlichen Telefonleitungen anzapfen konnte, wurde ihr erstes gemeinsames Projekt. Wozniak entwickelte,  Jobs erledigte das Marketing und verkaufte die Produkte. Das war das Erfolgsrezept der ersten Jahre.

Nach seinem Abschluss auf der High School wechselt Jobs ab 1972 auf das extrem teure Read College, wofür sich  seine Eltern krummlegen müssen. Allerdings bricht er das Studium nach nur einem Jahr ab und geht auf  Kosten eins Freundes nach Indien. Wie viel Gründergenies der Silicon Valley Generation nahm Jobs  LSD, beschäftigte sich mit dem Buddhismus und psychologischen Therapien, was der Biograf  positiv wertet, denn ohne die imaginative Offenheit der Hippiegeneration hätte die neue Technologie seiner Ansicht nach nicht diese Breitenwirkung entfalten können.

 Bei Atari war Steve Jobs  an der Entwicklung des ersten Computerspiels „Break out“, beteiligt, bei dessen Vermarktung er seinen Freund Wozniak betrügt. Dem Biografen ist das so peinlich, dass er einen regelrechten Eiertanz aufführt, um dieses Verhalten irgendwie zu erklären. Aber das Problematische an Jobs Persönlichkeitsbild wird immer eindeutiger.  Auch seine Freundin Christine, mit der er jahrelang in einer Hütte in den Bergen lebte, ließ er  sitzen, als sie schwanger wurde.

1975 gelang es Wozniak, die einem Rechner gegebenen Instruktionen sichtbar zu machen. Die Urform des PC war geboren, auch wenn er vor lauter Kinderkrankheiten kaum funktionierte.  Jobs und Wozniak werden Mitglieder im „Homebrew Computer Club“, wo sie Bill Gates und Paul Allen, die späteren Gründer von Microsoft, treffen. Jobs, Gates und Allen hatten damals schon Igel in der Tasche, denn sie wenden sich entschieden dagegen, mit anderen Clubmitgliedern die  Quellcodes von Computerprogrammen kostenlos auszutauschen.

1976 kommt es zur Gründung von Apple. Das  Grundkapital von 1300 $ wurde durch den Verkauf von Steve Jobs Auto und Woziaks Taschenrechner aufgebacht. Der dritte im Bunde war der Atari Kollege Ron Wayne, der 10 % der Anteile erhielt. Wayne verkaufte seine Anteile allerdings schnell wieder und wurde damit  zum „Looser des Jahrhunderts“, denn heute wären seine Anteile 215 Milliarden USD wert.

Die Anfänge von Apple kann man sich kaum einfach genug vorstellen. Als  Jobs und Wozniak den Apple I konzipieren, den er ersten Computer mit  primitiven Platinen, Tastatur und Bildschirm, bestellt der Inhaber eines elektronischen Fachmarktes  die ersten 500 Stück. Sie  wurden in der Garage der Eltern von Steve Jobs in Rekordzeit handgefertigt, auch wenn es bei der  Vorfinanzierung dieses Auftrages ernste Geldprobleme gab. Zeitweise war man so klamm, dass man überlegte,  Apple für einige 100.000 $ an Atari oder Commodore zu verkaufen. Der Verkauf scheiterte an den Scheuklappen der Firmenbosse, aber auch an Jobs schäbigem äußerlichem Auftreten, was seiner Reputation schadete.

Immer von Geldsorgen geplagt, schritt die Entwicklung des Apple PCs weiter voran. Nach dem Vorbild einer Küchenmaschine wurde ein freundliches weißes Gehäuse entwickelt. Es  folgte ein neuartiges System der Verkabelung, das den Ventilator überflüssig machte. (Bis dahin war die   Betriebshitze ein ernsthaftes Problem gewesen).  Typisch für die Geschäftspolitik der kommenden Jahre war der Konflikt über die Umbaufähgkeit der computerinternen Platinen. Wozniak hatte  nichts dagegen, dass Tüftler den Apple PC öffneten und eigene Platinen einbauten. Jobs verlangte Standardisierung und setzte sich durch.

Für die Finanzierung des Apple II Projektes waren 250.000 $ erforderlich. Sie wurden durch die Partnerschaft mit dem Elektrotechniker Mike Markkulla aufgebracht, der für dieses Geld  26 % der Firmenanteile erhält. Jobs und Wozniak erhielten auch je 26 %, der Rest war für Investoren vorgesehen.  Makkulas  wesentliches Verdient war, dass sich Apple vom Heimcomputermarkt löste und seine Geräte hinfort als Premium Produkte  vermarktete. Apple wird seriös, und sogar Steve Jobs stylt sich und schneidet sich die Haare, um auf den Computermessen besser verkaufen zu können. Der Apple II, der auf der Computer Messe 1977 vorgestellt wird, schlägt ein wie eine Bombe. In den nächsten sechszehn Jahren werden vom Apple II sechs Millionen Stück verkauft. Der Erfolg überdeckt zeitweise innere Probleme bei Apple, die auf Jobs unmögliches Mitarbeiterverhalten zurückgehen.

Im Dezember 1980  – die Firma beschäftigt inzwischen ca. 1500 Mitarbeiter –  geht  Apple an die Börse. Der Ausgabekurs beträgt 22 $, am Ende des ersten Tages sind die 26 % von Steve Jobs eine viertel Milliarde Dollar wert. Viele Mitarbeiter wurden Millionäre an diesem Tag, da sie als Gehaltsäquivalente Aktienoptionen erhalten haben. Es kam aber auch zu Kleinlichkeiten und Benachteiligungen von Seiten Jobs, die auf seine menschlichen Qualitäten ein miserables Bild werfen.         Nach dem Börsengang  wurde gleichzeitig an drei Nachfolgemodellen des Apple II  gearbeitet; wobei es zum berühmten Ideenklau bei Xerox kam. Xerox hatte in Gestalt von „Xerox Park“ eine ideale Benutzeroberfläche ausgearbeitet und sich als zu blöde erwiesen, sie selbst zu vermarkten. Apple und Microsoft sollten das Innovationspotenzial von Xerox Park  weiterentwickeln und marktreif machen

In den frühen Achtziger Jahren  brachen die  Verkäufe des Apple II ein, weil sich der  IBM PC mit der Windows Software als erfolgreicher erwies. Trotz einer unglaublichen Vermarktungskampagne  wurde der Mac, das Nachfolgemodell des Apple II, ein Flop. Apple wurd von Microsoft überrundet, weil Microsoft sich konsequent auf bedienungsfreundliche Anwendersoftware konzentrierte und es schaffte,  über Lizenzvereinbarungen Hardwarehersteller wie IBM an sich zu binden. Microsofts erste  grafische Benutzeroberfläche war zwar  schlechter ist als die von Apple, setzte sich aber als Windows 1 wegen seiner Anbindung an die IBM PCs auf dem Markt durch. Nicht immer siegt das bessere Produkt, kommentiert Isaacson.

In dieser Situation wurde die Krise durch Jobs menschenverachtendes Führungsverhalten noch verschärft. Eine ganze Reihe hervorragender Mitarbeiter verlässt die Firma. unter anderem Wozniak. Schließlich explodiert der Unmut der Mitarbeiter in einem regelrechten Aufstand gegen Jobs, der daraufhin von der Mehrheit der Anteilseigner gefeuert  wird.

Nachdem Jobs Apple verlassen hatte, begann die „mittlere Phase“ seiner Biografie, die er im nachherein als seine kreativste bezeichnete. Er gründete NeXT Computer und entwickelte neue digitale Arbeitsweisen, die jedoch keine breite Anwendung erfahren. Erfolgreicher war er mit PIXAR,  einer Firma die hochkomplexe 3-D Animationen anbot.  Mit computeranimierten und Oscar prämierten  Filmen wie „Toy Story“ oder „Findet Nemo“  gelingt ihm der Durchbruch auf einem ganz neuen Arbeitsfeld. Der Börsengang von Pixar machte Jobs zum Milliardär.  Kurz darauf kauft Disney Pixar für 7,4 Mrd. USD und nimmt Jobs in die Firmenleitung auf,

Anfang der 1980er Jahre war Jobs eine Zeit lang mit der 14 Jahre älteren Joan Baez zusammen, an der ihn am meisten faszinierte, dass sie einmal Bob Dylans Geliebte gewesen war. Nach dem Tod seiner Pflegemutter machte sich Jobs auf die Suche nach seiner leiblichen Mutter und erfuhr, dass seine  leibliche Schwester Mona Simpson eine begabte Schriftstellerin ist. Er machte auch seinen Vater ausfindig, der inzwischen ein erfolgreicher Restaurantbetreiber geworden war,  ohne ihn treffen zu wollen. Dafür intensiviert er seine Beziehung zu seiner unehelichen Tochter,  deren Mutter er 1991 als Schwangere hatte sitzen lassen. 1991 heiratete er Lauren Powel in einer Luxus Lodge im Yosemite Park mit Blick auf den Half Dom. Das Paar bekommt in den Neunziger Jahren drei Kindern, unter ihnen den begabten Sohn Reed.

Inzwischen war Appel nach dem Weggang von Jobs in eine schwere Krise geraten.  Der Marktanteil auf dem Computermarkt schrumpfte von 16 % auf 4 %, während Microsoft  seine zunächst sehr schlechten Produkte immer weiter verbesserte und mit  Windows 95 einen Volltreffer landete. Microsoft Stärke, so Isaacson, war nicht die Innovation, sondern die Verbesserung von Produkten die  anderswo geklaut/eingekauft und weiterentwickelt wurden.   Demgegenüber war   Apple innovativer,  einfallsreicher, eleganter in der Ausführung und herausragend im Design.  Kein Wunder, dass Isaacson bei verschiedenen Gelegenheiten Jobs und Gates, die beiden Gründerväter der Massendigitalisierung vergleicht. Gates, der im Unterschied zu Jobs programmieren konnte, war praktischer veranlagt, disziplinierter, und mit einem ausgeprägten analytischen Denkvermögen ausgestattet. Jobs hingegen ging intuitiver und gefühlsbetonter vor und hatte ein Gespür dafür, wie man mit einer Technologie vollkommen neue Märkte erschließt. Alles in allem wird die Nachwelt, davon ist Isaacson überzeugt, Jobs als den Bedeutenderen ansehen.

Der Wiedereinstieg von Jobs vollzog sich auf der Grundlage von Aktienoptionen Der alte CEO wurde gefeuert und Jobs ließ bei Apple keinen Stein auf dem anderen. Er  bewertete die Aktienoptionen neu und besorgte der Firma eine Finanzspritze in Höhe von 150 Millionen USD vom Erzrivalen Microsoft.   Innerhalb des ersten   Jahres von Jobs bei Apple verdoppelt sich der Aktienkurs von 13 auf 26 $ .

Wer gedacht hatte, das wäre es für Jobs gewesen sollte sich täuschen. Die zweite Applephase sollte noch erfolgreicher werden als die erste. Von nun an folgte eine Innovation der nächsten.  Es begann  mit dem iMac (1998), mit dem Appel  in die Gewinnzone zurückkehrte. Mit den tragbaren iPods (2001) und der Software  iTunes, mit dem iTunes Store (2006)und  iPhone (2007) landete Apple Welterfolge.  Der iPad von 20120 war eine logische Fortsetzung der Etablierung eines völlig neuen Marktes für Lifestyle Produkte im Premium Segment.    Mitten im Zenit seiner Karriere und Weltgeltung  erkrankte Steve Jobs 2005 an Bauchspeicheldrüsenkrebs, dem er nach siebenjährigem Kampf am 5. Oktober 2011 erlag.

Soweit die Chronologie und die Schwerpunktsetzungen der vorliegenden Biografie, die dem Fachmann wie dem Laien uneingeschränkt empfohlen werden kann.  Viele Etappen der Technikgeschichte, die ich als Konsument miterlebt habe, ohne sie zu verstehen, sind mir nach der Lektüre  klarer geworden. Insofern ist das vorliegende Buch mehr als eine bloße Biografie, es ist eine Technikgeschichte der letzten 40 Jahre mit einem ihrer maßgeblichen Gestalter als Hauptperson. Dass Steve Jobs bis zum Ende seines Lebens kein Menschenfreund gewesen ist, wird man hinnehmen müssen. Millionen werden dafür durch exzellente Produkte entschädigt.

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