Jones: Weißer Himmel, schwarzes Eis

Dünnes, gerade gefrorenes Eis  ist schwarz und makellos – es ist das „schöne Eis, das töten kann“, sagen die Eskimos. Auf dünnem schwarzen Eis leben die Einwohner von Chukchi am äußersten Westende Alaskas, einem Ort, fast schon in Sichtweite Sibiriens, wo der Westwind „mit zahnschmerzähnlicher Hartnäckigkeit“ den Leuten die Nerven raubt, wo der Alkohol die Menschen tötet und die Gräber, vor der Frostperiode nach Erfahrungswerten ausgehoben werden und dann nach und nach gefüllt werden müssen. In Chukchi ist es kein Vergehen,  auf offener Straße betrunken umzufallen und einfach im Schnee liegenzubleiben. Wer beim Saufen im „Dreamland“ Pub einschläft, verliert seinen Platz und wird rausgeschmissen, es kann aber auch sein, daß man als sexuell promiskuitiver Inupiat am nächsten Morgen neben einer anderen Inupiat-Frau  aufwacht, zusammen sein Muktuk, sein fettiges Frühstück ißt, und wieder auf Nimmerwiedersehen verschwindet.

Dieser tristen Welt entstammt auch der  Halbeskimo Nathan Active, der als Kind von einer blutjungen Mutter („Ich wollte nur saufen und vögeln“) zur Adoption freigegeben wurde. Von liebevollen weißen  Pflegeeltern erzogen kehrt er nach Jahren  als Alaska Trooper in seine Heimat zurück, wo er als  „marginal man“, jene Perspektive einnimmt und vermittelt, die die  Besonderheiten der weißen und der Eskimo-Kulturen besser deutlich werden läßt.  Es ist vor allem der Einblick in die Kultur der „Inupiat“-Kultur ( so nennen sich die Eskimos selbst – der Begriff „Eskimo besitzt eher eine pejorative Bedeutung wie früher der Ausdruck „Nigger“  ), die die Lektüre des Buches lohnt, einer melancholischen, vom amerikanischen Way of Life infizierten  Kultur  zwischen Alkohol und Aggression, in der Selbstmorde zur Tagesordnung gehören.

Zwei solcher vermeintlicher Selbstmorde führen Alaska Trooper Nathan Active zu einem komplizierten Umweltverbrechen, bei dem die örtliche Kupfermünze des multinationalen GeoNord Konzerns Arsen und Antimon in illegale Sickergruben verschwinden läßt, weil eine umweltgerechte Entsorgung die Profitabilität der ganzen Niederlassung gefährden würde. Wer aber nun die öde Entgegensetzung von bösem Multi und gutem Eskimo erwartet, wird gottlob enttäuscht: denn es ist für niemand eine Frage, daß die Arbeitsplätze und die damit verbundenen regelmäßigen Einkünfte, die der Multi durch seine Investition  den Einwohnern von Chukchi ermöglicht, die sozialen Verhältnisse  zum Positiven verändert haben, so daß mit dem Sturz des umweltfrevlerischen Konzerns auch die gesamte Gemeinde in eine noch größere Desperation absinken würde. Aus diesem Grund tötet der lokale Honoratior, der Halbeskimo Tom Werner, zuerst  die  beiden Eskimos, die die illegale Sickergruben entdeckt haben, und schließlich, als ihm Alaska Trooper Nathan Active auf die Spur   kommt, sich selbst.  Durch Nathan Actives sozialverträgliche Falllösung kommt es am Ende  zu einem happy end:  weil die Kupfermine  für alles zahlt, die Sickergrube beseitigt und bleibt merkwürdigerweise ihre Niederlassung nicht schließt wird alles unter den Teppich gekehrt – das lange angestrebte Alkoholverbot kommt in einer Volksabstimmung endlich durch, und die böen Hintermänner, die allerdings im Buch kein wirkliches Gesicht erhalten, stürzen im Hintergrund – sogar Alaska Trooper Nathan Active, der sich im Laufe der Ermittlungen weit aus dem Fenster gelehnt hatte, behält seinen Job und gewinnt sogar die Liebe „der schönen Lucy mit den wippenden Brüsten“

Nicht, daß der Verlauf der Geschichte besonders originell konstruiert wäre – aber die Sprache und die ethnologische Sachkenntnis, in der das Buch geschrieben ist, hebt es über einen normalen Kriminalroman weit hinaus. Ein unterhaltsamer und informativer Ausflug in eine weiße Welt, in der die Charaktere und Verhältnisse allerdings alles andere als schwarz-weiß strukturiert sind.

 

 

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