Der vorliegende Roman, über den es mit gutem Grund noch keine Rezension bei amazon gibt, stellt den Leser vor ein Problem. Ich nenne es das „Zinober Problem“. Der hässliche Zwerg Zinober besaß in der Kurzgeschichte von E.T. A. Hoffmann die Fähigkeit, seine Umgebung so zu verhexen, dass sie in ihm uns seinen Unzulänglichkeiten den Gipfel der Grazie erkannten – bis der Zauber erlosch und alle sich angewidert von dem erbärmlichen Grottenmulch abwandten.
Auch in der Literatur gibt es „Zinober-Bücher“ – es sind jene Bücher, die kaum einer jemals gelesen hat, von denen aber einige Berufsintellektuelle jahraus jahrein verkünden, welch großartige Werke man da vor sich hätte. Jeder, der sich an solche Bücher heran traut, wird bald feststellen: sie sind unlesbar, unstrukturiert, langweilig, weitschweifig – und auf eine ungeheuere Art eitel. Ebenso wie der Zwerg Zinober nach seinem Gusto rülpst und pupst, wann immer es ihm beliebt, begegnen dem Leser bei der Lektüre solcher Büchern in vollkommen ungeordneter Reihenfolge halb gare Aphorismen, rein assoziative Aufzählungen, vollkommen sinnlose Detailschilderungen und Banalitäten ohne Ende. Die Autoren solcher Zinober-Bücher gleichen Köchen, die ohne Plan alles, was ihnen gerade unter die Hände kommt, in einen Kochtopf werfen und die Ungenießbarkeit ihrer Werke als Ausweis von Begabung t gewürdigt wissen wollen.
Auch wenn ich mich mit meinem Urteil mit den aller edelsten Literaturkritikern anlegen werde, behaupte ich: das vorliegende Buch ist geradezu das Paradebeispiel eins Zinoberbuches. Was die Verlagswerbung als „Erkundung der Vergangenheit“ gelegentlich auch als „Kriminalgeschichte“ anpreist, ist in Wahrheit nichts weiter als ein endloser und enervierender Gedankensalat, das dem eingschüchterten Leser mit dem Dressing unsterblicher Bedeutsamkeit angedient wird. . In den „Reisebildern“, „Ermittlungen“ und den „Aufzeichnungen eines Wahnsinnigen“ folgen sinnfreie Detailbeschreibungen auf endlose Aufzählungen von Ereignissen, Speisen, sozialen Schichten, Namen, Figuren, Städten, zerhackt von kurzen erzählenden Einschüben und aufgepeppt mit ausgedünnten Aphorismen, von denen man erst noch glaubt, sie besäßen eine gewisse Substanz, ehe man hinter ihr simples Stickmuster kommt. Maria als Säugetier, die Wahrnehmungen der Hunde, die Form der Kartoffel, der Prophet Mohammed, der sich am Schweinefleisch übergibt – ohne jeden Formwillen, ohne Rücksicht auf den Leser, der seine kostbare Zeit für das Lesen gerade dieses Buches verwendet, wo er doch tausend andere und bessere lesen könnte, bringt der Autor alles, was ihm so einfällt stante pede aufs Papier. „Ich neige zu der Annahme, dass Newton das Gesetz der Schwerkraft dank der Scheiße entdeckt hat“, schreibt der Autor auf Seite 60 und der ganze „Clou“ dieses Gedankens besteht darin, dass nicht nur die Äpfel sondern auch Newtons Köttelchen, der Schwerkraft folgend, auf die Erde fielen. So geht das durch das ganze Buch, und wer bis zum „Brief oder Inhaltsverzeichnis“ auf S. 273 durchhält, wird keines Besseren belehrt. Wenn Danilo Kis in der Gestalt des E.S. seinem Vater ein Denkmal setzen wollte, so hat er ihm einen denkbar schlechten Dienst erwiesen, denn niemand, der sich Gespür dafür bewahrt hat, was ein Buch einem Leser zumuten darf, wird dieses Buch zuende lesen. Es gibt unendlich viele andere, die besser sind, und es wäre schade um die Zeit.