Kit McCann: Paradies der Lüste

„Offen gesagt, ich bin wie fast jeder männliche Single nur wegen Sex nach Thailand gereist“. Mit diesen ehrlichen Worten beginnt Kit McCann seinen thailändischen Reisebericht, in dem kaum etwas von Tempeln und Kultur, ein wenig von der Küche und sehr viel von der thailändischen Sexindustrie die Rede ist.  Analog zu einem „richtigen“ Reiseführer, in dem die Baustile der Sukothai- und der Ayuthia-Periode unterschieden oder die Bergvölker im Norden von Chiang Mai beschrieben werden,   differenziert McCann die Verhaltensweisen von  Thailadys, Ladyboys, Boyfriends, Bordschwalben, Barmädchen und anderer Dienstleister, die alle nur eines zu bieten haben:  guten Sex. Und hier beginnt bereits die erste Täuschung: Während der „Farang“, der westliche Tourist,  guten Sex nicht von Sentimentalität und Emotionen trennen kann, empfindet der Thailänder in dieser Hinsicht ganz anders. Für ihn ist Sex so etwas wie Darmtätigkeit: „Man macht es regelmäßig und ist nur beunruhigt, wenn es ausbleibt“.   Viele „Farangs“  wollen nicht einsehen, dass sie  nichts weiter sind als ein „Penis mit Geldscheinen“ und dass sie es auch nicht persönlich nehmen dürfen, wenn ihre Gespielinnen nicht darauf verzichten wollen, schnell noch einen anderen Freier einzuschieben, um Zusatzverdienste einzufahren. Diese so überaus emsigen Thailadys, so der Autor,  sind „im Prinzip“ ehrlich, aber unstet, ständig blank, betteln wie die Hunde in der Küche, verhalten ich aber insgesamt so liebenswert, dass sie dem Farang, der sie so nimmt, wie sie sind, das „Paradies auf Erden“ bereiten.  Thailadys für sich monopolisieren zu wollen, geht jedoch fast immer schief. Geradezu Legion sind die Geschichten, in denen Farangs an der „Untreue“ der Thailadys zugrunde gehen – oder besser gesagt: in denen sie sich „zum Affen machen“, weil sie gegen jede Erfahrung und jede Warnung versuchen, eine junge Prostituierte aus ihrem Milieu zu lösen, um sie nach Europa, Australien oder in die USA mitzunehmen. Die Methoden, mit denen die cleveren Thaimädchen ihre dämliche Kundschaft bei dergleichen Arrangements ausnehmen, sind schier unüberschaubar, ebenso aber auch die Fallstricke,  in denen sie sich selbst verfangen können: Abtreibungen, Drogensucht, Kriminalität und ein elendes, ungeachtetes Alter sind die Schattenseite ihres scheinbar unbeschwerten Lebens in der  Jugend. Der Autor weiß all das und lebt einfach periodisch mit Wing, Porn und Suk oder wie immer sie auch heißen mögen,  zusammen, gerade so wie es den Mädels passt und hat auch nichts dagegen, wenn sie zwischendurch anderswo aktiv sind.  Sechs Jahre verbringt er in der Sexszene von Phuket und Pattaya, schmiert an den richtigen Stellen, ist nicht zu geizig und nicht zu klammerig und kommt auf diese Weise ganz gut durch. „Man muss einfach unauffällig bleiben, sich seinen Weg erkaufen, die Sonne genießen, sich nicht allzu dämich verhalten, dann hat man eine Chance hier zu überleben.“ Am Ende gibt es sogar noch ein Happy End, das fast ein wenig kitschig wirkt:  In einer Garküche begegnet der Autor einer bezaubernden Khmer Frau, die keine Prostituierte sondern eine „Prinzessin“ ist und  mit der er sich fest liiert. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute in ihrem Vorstadthaus in Pattaya-Jomitien.

Das Buch ist anständig lektoriert und in einer flüssigen, gut lesbaren Sprache verfasst. Jenseits der eigentlichen Bar- und Sexszenen, deren Beschreibungen sich gleichen wie ein Ei dem anderen und deren Lektüre bald langweilt, hat der Autor auch Manches über Küche, Korruption, Landschaft und  das tägliche Leben zu berichten. Er zitiert Flaubert an den richtigen Stellen und verwöhnt seine Leser sogar hin und wieder mit einer ordentlichen Metapher. „Ein deutscher Satz  ist wie eine Eisenbahnstrecke, gleichmäßig und auf den Punkt gebracht“, heißt es etwa im 23. Kapitel. „Ein thailändischer Satz ist wie ein Gebet mit einem Fischhaken. Wenn man lange genug damit herumwedelt, erreicht man vielleicht irgendetwas.“ Solche Stellen gibt es in dem Buch reichlich, da könnte selbst „der Buddha hinter dem Bretterzaun“ neidisch werden. Der Titel der englischen Originalausgabe beinhaltet mit „Paradies Lust“ sogar eine Milton-Anspielung ( Schade, dass der deutsche Übersetzter etwas einfallslos diesen Titel mit „Paradies der Lüste“ anstatt mit „Garten der Lüste“ übersetzte, womit er den Milton-Bezug durch eine Hieronymus Bosch Anspielung ersetzt hätte).  Die Thailadys werden von ihm vielleicht ein wenig heroisiert, was jedoch die westlichen „Farangs“ und ihre typischen Fehler, ihre Sackgassen und ihre Einsamkeit in der Fremde betrifft, kann das Buch durchaus auch als eine Warnung davor gelesen werden, mit unrealistischen Erwartungen in das „Paradies der Lüste“ aufzubrechen. Denn wie heißt es an einer Stelle. „Über fünfzig und pleite sein in Thailand – das ist ganz schlecht.“

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