Klonovsky: Der Held. Ein Nachruf

„Der Baum ist tot“, lautete der Titel eines frühen Ökoliedes, der den Abschied vom Wald beklagte. Inzwischen steht der Wald wieder voll im Saft, und ein anderer ist tot: der Held. Ihm widmet der Schriftsteller Michael Klonovsky  einen kämpferischen Essay, der sich gewaschen hat. Seine Methode ist historisch und idealtypisch zugleich. Auf dem Hintergrund einer stupenden Belesenheit aus allen Bereichen der Kultur- und Realgeschichte skizziert  Klonovsky den Niedergang einer Leitfigur, der niemand aus dem Mainstream eine Träne nachweint, die aber ebenso zur abendländischen Kultur gehört wie die  großen Kathedralen.

Die ganze Vielfalt der sozialpsychologischen und geisteswissenschaftlichen Bezüge, die der Autor in seiner tour d´raison durch die Geistesgeschichte des Helden entfaltet, kann hier nicht dargestellt werden – die Gedankenbewegung aber zeigt immer das gleiche Muster: die Welt der Technik, die Teile unseres Planeten mit einer bisher unbekannten Komfortzone verwandelte, hat die kriegerischen Instinkte abgestumpft. In einer pazifizierten Epoche scheint man „große Männer“ respektive „Helden“ nicht mehr zu benötigen, weil sich alles Streben in der Maximierung der Bedürfnisbefriedigung erschöpft. Der „Held“ geht, und „der letzte Mensch“ kommt, ein kretinartiges Wesen, das sich vom Helden durch seine eminenten Glücksansprüche, seine Schmerzaversion und seine  absolute Gottferne unterscheidet.

Diesem zivilisatorischen Umbruch fiel nach Klonovsky nicht nur der Held, sondern das ganze „Hirschgeweih menschlicher Kultur“ zum Opfer, als da sind: Männlichkeit und Weiblichkeit in ihrer ausgeprägtes in Form, die Liebe, die Arbeit als Werk und das Bewusstsein, ein Größeres zu repräsentieren und dafür  mit seinem Leben einzustehen. Das sind politisch unkorrekte Worte, bei denen ein Zittern durch den Leser geht. Hat der Autor das wirklich gesagt? Ja, er meint es ernst und verweist darauf, dass das Bedürfnis nach Helden nur scheinbar verschwunden sei, weil Zeiten nur oberflächlich „gut“ sind und sich schnell wieder ändern können. In einer absehbaren Zukunft, so Klonovsky, wird die Stunde der Wahrheit schlagen, und kein Held wird zur Stelle sein.

Aber so weit ist es noch nicht. Im Gegenteil: Der Held ist nicht nur tot, sondern er wird auch noch in seinem Nachleben geschändet. Das Gedenken an ihn wird in den Dreck getreten, seine Denkmäler werden gestürzt, ihre Leistungen niedergemacht. „Vor allem in den Künsten und auf den Bühnen toben sich die Kleinmacher und Niederreißer aus“, schreibt Klonovsky. „ Jeder König oder Herrscher muss als Halbdebiler auftreten, jeder Held zum Antihelden werden, jeder Mann zum Triebmonster, jeder Deutsche zum Nazi.“   Ein Projekt wie das von Theodor Heuß nach dem Zweiten Weltkrieg herausgegebenen Sammelwerk „Die großen Deutschen“ wäre heute undenkbar, meint Klonovsky. Es würde eher „Die guten Deutschen“  heißen und Figuren wie „Alice Schwarzer, Anne Will, Angela Merkel, Thomas Gottschalk, Mesut Özil und Joschka Fischer“ porträtieren und sich mit einem Vorwort von Christian Wulff schmücken.

Dass die Deutschen im Geschäft der Heldenschändung einsame Spitze sind, hat mit ihrer bewusst betriebenen Selbsterniedrigung im Gefolge zweier verlorener Weltkriege zu tun. Die Deutschen sind das, was Gehlen eine „widerlegte Nation“ nennt, und sie tun nichts, wieder aus  der Grube aufzustehen. Sie sind „eine  Generation von Sitzpinklern geworden, die es hinnehmen, dass sie in Europa von Staaten  umgeben sind, die die Hände aufhalten und sich mit dem Losungswort „Nazi, Nazi“ alimentieren lassen.“

Man sieht, der Autor nimmt kein Blatt vor den Mund und nennt Ross und Reiter. Manches erscheint schockierend Manches ungemein erhellend. Aber auch wenn man nicht mit allen Urteilen des Autors einverstanden ist, tut es gut, im Einheitsbrei der regierungsaffinen Mainstreamverlautbarungen einmal einen Text zu lesen, der all die verlogenen  Selbstverständlichkeiten gegen den Strich bürstet. Michael Klonovsky  ist ein brillanter, funkelnder Essay gelungen, dessen Lektüre ganz unabhängig von seinen Werthaltungen das pure geistige Vergnügen ist. Eine derartige intellektuelle Verweisungskompetenz, ausgestattet mit einer  brillante Sprache und zugespitzt in einer engagierte Polemik, steht unter den deutschen Schriftstellern einzig da. Dass ein solches Buch von der Bundeszentrale für politische Bildung  eher nicht vertrieben wird, dürfte allerdings klar sein.

 

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