Lilie:  Byzanz, Geschichte des oströmischen Reiches 326 bis 1453

Tausend Jahre Geschichte auf gerade mal gut einhundert Seiten –  ist das möglich? Nein, meint der Autor in seinem Nachwort, aber man kann es wenigstens versuchen, und das, obwohl nichts Schwieriger ist, als komplexe Sachverhalte auf engem Raum darzustellen, ohne ins Holzschnitthafte abzugleiten

Soweit ich das beurteilen kann, hat sich der Versuch gelohnt. Von der Etablierung Konstantinopels als neuer Reichshauptstadt durch Konstantin dem Großen, über die Krisen der Völkerwanderung, die islamischen Expansion, dem Ansturm der Slawen und der Seldschuken führt der Autor den Leser anschaulich und verständlich durch die komplizierte Politik-, Kultur- und Sozialgeschichte der östlichen Mittelmeerwelt. Wenn Samuel Huntington in seinem „Clash of Civilisaitons“ den orthodoxen Kulturkreis als eine der acht planetarisch relevanten Kulturen bezeichnet, dann ist Byzanz seine Basis. So viel zur Bedeutung Ostroms für die Weltgeschichte.

Monumenatlplastik Konstantins des Großen

Zwei Merkmalen kennzeichnen nach Meinung des Autors das Phänomen Byzanz in besonderer Weise:  Zunächst war Byzanz ein Staat mit einem „Doppelgesicht zwischen Modernität und Erstarrung“, wobei seine scheinbare Modernität, d.h. seine Geldwirtschaft und sein staatlicher Zentralismus, in der Vergangenheit, d.h. in der Antike, 15 wurzelten. Es handelte sich also um eine  Verspätung, die in die Zukunft wies. Sodann war Byzanz 1000 Jahre lang geopolitisch, um mit Huntington zu sprechen, ein „unglücklicher Staat“, denn er stand im Schnittpunkt immer neu heranbrandender Gegner. Gerade hatte man die Flut der Völkerwanderung nach Westen abgelenkt, da standen bereits die Araber vor den Toren. Kaum hatte man die Araber geschlagen erschienen im Norden die Bulgaren, die Petschenegen und die  Kiewer Rus. Kaum hatte man die osteuropäischen Völker christianisiert, betraten die schlimmsten aller Gegner, die Türken, die Bühne der Geschichte.

Wie es den Oströmern immer wieder gelang, diese Krisen zu überstehen, zeitweise sogar zu expandieren, ist erstaunlich, zumal aus dem christlichen Westen keine Hilfe sondern nur Ungemach nahte. Die Normannen, die sich in Sizilien festgesetzt hatten, bedrohten ab dem 11. Jhdt. Griechenland, und die Kreuzfahrer gaben dem stolzen Reich den Rest. 1204, ein halbes Jahrtausend vor dem endgültigen Untergang Konstantinopels, plünderten die Ritter des vierten Kreuzzuges die größte Stadt der damaligen Welt und schufen auf seinen Trümmern ein kurzlebiges  lateinisches Kaiserreich.

Der Rest ist im Grunde Nach-Geschichte. Nach der Katastrophe von 1204 regierten noch  ein Vierteljahrtausend lang Dutzende  Bonsai-Kaiser von Konstantinopel aus ihrer winzigen Territorien, während sich die Schlinge des osmanischen Reiches immer enger um Byzanz zusammenzog Türken immer enger wurde. Selbst die Vernichtung des ersten des osmanischen Reiches durch den Einfall der Mongolen 1402 gab Konstantinopel nur noch eine Galgenfrist. Zwei abendländische Entsatzheere wurden von1396 bei Nikopolis und 1444 bei Varna vernichtet. Am Ende barsten die Stadtmauern von Konstantinopel unter den Kanonen Mehmets II, und die große Dünung der türkischen Herrschaft auf dem Balkan begann.

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