2016 jährte sich der Todestag von William Shakespeare zum 400. Male. Unter den zahlreichen Ehrungen und Huldigungen der literarischen Welt an einen ihrer Größten war keine kongenialer als Ian McEwans Roman „Nussschale“, die moderne Adaption des Hamlet-Themas als ein Feuerwerks von Ironie, Brillianz, Intellektualität und Humor. In „Nussschale“ verlegt McEwan Hamlets Grübeln und Räsonnieren über die Verschwörung seiner Mutter und seines Onkels in einen vorwitzigen neunmalklugen Foetus, einen vorgeburtlichen Oskar Matzerath im Quadrat, der als Ungeborener genau versteht was außerhalb des Mutterleibes vor sich geht: seine Mutter Trudy und sein Onkel Claude vergiften seinen Vater, den Dichter und Verleger John Cairncross, weil er ihnen bei ihrer ehebrecherischen Liason im Wege steht. Was sich in dieser Zusammenfassung geradezu grotesk anhört, funktioniert im Buch tatsächlich, weil es McEwan gelingt, den vorwitzigen Fötus zu einem analytischen und wortgewaltigen Beobachter zu gestalten. Wollte man kalauern konnte man sagen: zum ersten Mal erfährt der Leser seine Geschichte nicht aus der Perspektive eines allwissenden Erzählers, sondern eines allwissenden Föetus, der zu allem und jedem das richtige Wort findet und am Ende auch noch zur richtigen Zeit die Fruchtblase platzen lässt, um die Mörder seines Vaters an der Flucht zu hindern. Zugegeben, dieser Plot hört sich ziemlich schräg an, und man muss schon ein erzählerisches Genie wie McEwan sein, um ihn literarisch auch tatsächlich umzusetzen. Aber diese Umsetzung ist auf eine so erstaunliche und zugleich humorvolle Weise gelungen, dass mir dafür shier die Worte fehlen. Nur so viel: diese Kurzrezension kann auch nicht in Ansätzen das Vergnügen wiedergeben, dass mir Lektüre dieses Buches geschenkt hat. Ein außergewöhnliches Buch, das alles enthält, was man von großer Literatur erwartet: eine neuartige Perspektive, eine geschliffene Sprache, eine profunde Bildung und last not least erstaunlich kurzweilige Unterhaltung. Unbedingte Leseempfehlung nicht nur für werdende Mütter.