Nabokov: Lolita

Nabokov LolitaNymphchen“ sind kleine Mädchen zwischen neuen bis dreizehn Jahren, die sich von anderen Kindern ihres Alters durch laszive Lüsternheit und hemmungslose sexuelle Bereitschaft unterscheiden. Diese Wesenszüge sind allerdings normale Menschen verborgen und nur für Persönlichkeiten wie Humbert Humbert, die Hauptperson des vorliegenden Romans, zu erkennen. Humbert Humbert, ein gut aussehender und gebildeter Vierziger, ist durch seine unglückliche Neigung schon lange durch die Welt getrieben worden, als er sich in einer amerikanischen Kleinstadt bei der drallen Witwe Charlotte Haze als Untermieter einquartiert. Doch Dolores Haze, die Tochter des Hauses, ein rotzfreches Gör von elf Jahren, entzündet erneut in Humbert Humbert seine nymphomanische Leidenschaft – sie wird zu seiner „Lolita“, der er mit Haut und Haaren verfällt, so dass er sogar die Mutter heiratet um seiner Angebeteten näher sein zu können. Als die unglücklich verliebte Charlotte Haze bei einem Unfall gerade zur rechten Zeit stirbt, hat der feine Stiefvater freie Hand- er löst den Haushalt auf und beginnt zusammen mit der elfjährigen Lolita eine Reise quer durch die USA, eine geographische und sexuelle Erkundungstour, bei der sich Lolita als ein vollkommen versautes Biest und Humbert Humbert als ihr willenloser Sklave erweist. Humbert Humbert, immer in pansicher Angst, sein pädophiles Verbrechen würde öffentlich, .tut sein Bestes, seiner pseudofamiliären Beziehung zu seiner Stieftochter einen seriösen Anstrich zu geben, lässt sich in einer fremden Stadt nieder, organisiert eine Internatserziehung, ehe er sich in seiner Angst und Ruhelosigkeit entschließt, mit Lolita zu einer zweiten Odyssee durch die Vereinigten Staaten aufzubrechen. An dieser Stelle des Buches, Lolita ist inzwischen dreizehn Jahre alt geworden, haut die Stieftocher ab und lässt ihren Stiefvater zwar ungeschoren aber kreuzunglücklich zurück. Erst Jahre später erhält Humbert Humbert einen Brief von seinem Nymphchen, das inzwischen siebzehn Jahre alt, schwanger und vereiratet ist. Das Buch endet damit, dass Humbert Humbert seiner Lolita, die inzwischen die für ihn so befremdlichen Runden einer Frau angenommen hat, Geld gibt, damit sie sich mit ihrem jungen Mann in Alaska eine Existenz aufbauen kann – um sofort anschließend den noch älteren Mann, um deretwillen Lolita Humbert Humbert einst verlassen hatte, auf eine bestialische Weise umzubringen.
Das ist die Handlung- aber warum ist dieser Roman ein Meilenstein der modernen Litartur geworden? Sicher auch wegen seines brisanten Themas, dessen Abhandlung in den Fünfziger Jahren in den USA ein Riesenskandal hervorrief. Dass es aber auch heute noch einen ganz eigentümlichen Sog auch auf die Leser aufübt, die durch Humbert Humbert Neigungen befremdet sind, legt an der meisterhaften Sprache und dem unglaublichen Einfallsreichtum, mit der es Nabukov gelingt, allen Protagonisten bis hinein in die Nebenfiguren ein schrilles Leben einzuhauchen. Das Buch ist lebensweise, humorvoll, makaber, es enthält den ganzen widersprüchlichen Kosmos moderner Gefühle und Intentionen und nicht mehr und nicht weniger als eine meisterhafte soziologische Analyse der amerikanischen Mittelklassengesellschaft der Fünfziger Jahre, die es unterhaltsamer kaum irgendwo zu lesen geben dürfte. Wenn man will, ist die Bedeutung des Romans bis auf den heutigen Tag sogar noch gewachsen, denn die eigentümliche Durchdringung von Infantilität und Sexualität, die Nabukov am Beispiel Lolitas exemplifiziert, ist heute ein zu einem Merkmal der Kindheit geworden.

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