„Gott ist tot“, behauptete Nietzsche, aber was bedeutet das? Auf jeden Fall handelt es sich kulturgeschichtlich um einen Verlust. Fehlt eine lebendige und starke Religion, die die Existenz des Menschen überformt und transzendiert, ist das Leben nichts weiter als eine »Substraktionsgeschichte«, d. h. es schwindet mit dem Moment der Geburt. Ohne einen Sinn für das Erhabene und Heilige bleibt der Mensch auf seine kreatürliche Existenz zurückgeworfen. Die Freude über die Entzauberung der Welt ist also einem schweren Kater gewichen. „Der transzendente Impuls“, wie es die moderne Philosophie nennt ist als ein Gefühl des Mangels lebendiger denn je.
Allerdings, so der Autor, führt uns das bloße Jammer nicht weiter. Auch die Rückkehr in einen unreflektierten naiven Glaubenszustand ist nicht möglich, weil das inzwischen erreichte Niveau der Vernunft nicht einfach zurückgedreht werden kann – auch wenn dieses Licht der Vernunft, so hell es auch leuchtet, nicht in der Lage ist, die Existentialen des Menschen zu erhellen.
Aus diesem „transzendentalen Dilemma“ entstanden naive innerweltliche Ersatzreligionen, die mitunter geradezu als Karikaturen der großen Monotheismen daherkommen. Die Klimareligion und die Fridays for Future Kids lassen Aber gibt es nicht jenseits dieser Surrogate ernst zu nehmende Systeme oder Ansätze, die eine Sinngebung liefern, ohne der Vernunft ihr Recht zum Zweifeln zu nehmen? Für viele scheint dies die „Evolution“ selbst zu sein, die wie ein Agens begriffen wird, als ein sich selbst vervollkommnendes Westen, dessen am höchsten entwickelte Hervorbringung der Mensch ist, wobei der Mensch sowohl als Beschleuniger wie als Vernichter der Evolution in Erscheinung treten kann. Ich selbst tendiere in der Gestalt der Theologie von Teilhard de Chardin in diese Richtung. Teilhard de Chardins Idee vom „werdenden Gott“, der mit der Teleologie des Universums identisch ist, verleiht der Geschichte der Menschheit einen Sinn. Was diese und andere Theorien dem Menschen aber nicht geben, ist Trost und Hoffnung gegenüber der Endlichkeit. Insofern bleibt er in der Stunde des Todes allein, seitdem Gott gestorben ist. Und die Stunde des Todes ist bekanntlich seit Feuerbach die Geburtsstätte der Götter.
Es war anregend dieses Buch zu lesen, auch wenn es die Antworten, die es verspricht, nicht wirklich gibt. Sein Wert liegt eher darin, den Leser wenigstens ansatzweise auf die Höhe der philosophischen Diskussion über dieses Thema zu erheben. Aber auch wenn er die Gedanken von Dworkin, Wilson, Habermas und anderen folgt, kommt er der Lösung am keinen Schritt näher. Gott ist tot und der Mensch ist alleine.