Roth: Der Menschliche Makel

Das Buch erzählt die Geschichte von Coleman Silk, einem amerikanischen College Professor, der kurz vor seiner Pensionierung wegen einer missverständlichen Äußerung  in das Fadenkreuz der Superguten und politisch Hyperkorrekten gerät. Er muss das College, das er  Jahrzehnte hindurch maßgeblich geprägt hatte, in Unehren verlassen. Als enttäuschter und verbitterter Pensionär beginnt er eine Liaison mit der vierunddreißigjährigen Putzfrau Faunia Farley, „einer Frau, die nicht mehr reift, aber auch noch nicht welkt“ – was sowohl bei seinen Kindern wie auch bei der akademischen Umgebung befremdet.  Doch die späte Liebe, so Coleman Silk, ist die wahre und ultimative Leidenschaft, denn es gibt nicht mehr viel außer ihr, und so verklammern sich Professor und Putzfrau, in einer weltlosen Symbiose ineinander, bis sie beide einem raffnierten Mordanschlag von Faunias geschiedenem Mann, dem gestörten Vietnam Veteran Lester Farley, erliegen. Das ist im Wesentlichen die Geschichte, und doch ist damit das Wesentliche über das vorliegende Buch gerade nicht gesagt. Das Wesentliche an dem vorliegenden Buch ist zweierlei: zunächst die staunenswerte Imagination, mit  der sich Roth in die Innenwelt der Protagonisten hineinversetzen kann. Coleman und Faunia, das weltlose Liebespaar, die bigotte Dozentin Delphine Roux, der gestörte Lester Farley und ein fiktiver Autor, der die Geschichte miterlebend entwickelt, werden in ihren komplexen Motiven und Werdgängen so transparent, dass der Leser am Ende einen jeden verstehen kann,  sogar den Professor, der seine negride Herkunft als „menschlichen Makel“ sein Leben lang vor seiner Umgebung zu verbergen wusste. Das ist mehr als die meisten Bücher mit literarischem Anspruch leisten. Noch beeindruckender aber ist ein zweites: der leichte, dahinschwebende Stil, die geschliffene und von tiefer Lebenseinsicht durchtränkte Sprache, in der Roth erzählt und fabuliert, ein schier unendliches Labyrinth von Metaphern, Assoziationen und Verweisen, meisterhaften Miniaturen und einer kaum noch steigerungsfähigen Anschaulichkeit.  „Einsamkeit“, so heißt es an einer Stelle des Buches, wird erträglich, wenn es gelingt, „die Stille in Fülle zu verwandeln“. mit anderen Worten, wenn man ein so wunderbares Buch wie das vorliegende liest.

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