Abdel-Samad: Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens

Der deutsch-arabische Publizist Hamed Abdel- Samad berichtet in dem vorliegenden Buch über die „arabische Revolution“ des Jahres 2011  in seinem Heimatland in Ägypten in zweifacher Weise –  als Augenzeuge, indem er den Aufstand auf dem Tahir Platz von Kairo minutiös und tageweise schildert, und als Analytiker, der die Bedingungen, Voraussetzungen und Perspektiven  und Grundlagen der arabischen Revolution insgesamt untersucht. Sein Buch ist kenntnisreich geschrieben und durch die Bank interessant zu lesen, auch wenn man nicht mit allen Schlussfolgerungen des Autors übereinstimmen mag.

Nach Samad entstand die arabische Revolution aus der Kombination zweier Ereignisse: der explosiven Demografie (das heißt, dem Zuwachs der Jugend als Bevölkerungsgruppe) und den Möglichkeiten der sozialen Netzwerken, die es den Revolutionären erstmals erlaubten, sich  zu vernetzen. Beide zusammen generierten eine explosive Kraft, die die arabischen Despoten reihenweise davonfegte. Allerdings ist die Nutzung der sozialen Netzwerke ein zweischneidiges Schwert, meint der Autor. Sie kann zu liberalen Grundhaltungen, aber auch zur Option für den islamistischen Terrorismus führen. Die letzten Jahre lassen grüßen.

Ergänzt werden diese Betrachtungen durch Einbezug zahlreicher intervenierender Variablen, als da sind: der Rolle von  Al-Jazeera und der arabischen Medien, die  Rolle der Frau,  die im Zuge der islamischen Revitalisierung immer mehr in die Defensive gerät und der Untergang des orientalischen Christentums.    Last not least wird die Rolle Israels herausgearbeitet, das als Dampfablasser für die Despoten in der arabischen Welt schier unverzichtbar ist.

Am Ende versucht sich der  Autor in einer Prognose über den weiteren Verlauf der arabischen Revolution und greift, wie leider sehr oft in seinen Büchern, kräftig daneben. Seine Hoffnung ist ein demokratisches Ägypten einen dritten Pfeiler bieten könnte, der den regionalen Dualismus von Iran und Saudi Arabien aufbricht. Erstaunlich dabei, die Blauäugigkeit, mit der Samad  auf die  Demokratisierbarkeit der arabischen Massen hofft. Er ist meilenweit davon entfernt,  eine Einsicht zu realisieren, die schon Huntington in seinem Buch „Kampf der Kulturen“ formulierte: sobald es außereuropäischen Ethnien gestattet wird, frei zu wählen, wenden sie sich vom Westen und seinen Leitbildern ab. Sie kehren dann zurück zu ihren Wurzeln, die nicht  besser und nicht schlechter, nur eben anders sind und nichts am Hut haben mit Minderheitsrechen und Frauenemanzipation. Das beste Beispiel dafür ist der Sieg der  Muslimbrüder bei den bisher einzigen freien Präsidentschaftswahlen im Anschluss an die arabische Revolution in  Ägypten. Dieser Sachverhalt, der die Thesen des Autors glatt konterkariert, konnte im Buch wegen seines Erscheinungsdatums nicht mehr thematisiert werden. Alles in allem trotzdem ein interessant zu lesendes Buch, dessen historische Passagen lehrreich und dessen liberales Credo sympathisch und  rührend ist und den Leser uneingeschränkt für den  tapferen Autor einnimmt.

 

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