Schirrmacher: Das Methusalem Komplott

Schirrnacher Methusalem„Zum ersten Mal entsteht etwas, was von der Evolution nicht vorgesehen, ja, von ihr mit allen tödlichen Tricks verhindert werden sollte: eine nicht mehr fortpflanzungsfähige Gruppe, die ihren biologischen Zweck erfüllt hat, und von der Natur auf Abruf gestellt wird, bildet die Mehrheit innerhalb einer Gesellschaft. Zum erstenmal in der Menschheitsgeschichte wird die Zahl der Alten größer sein als die der Kinder.“ Mit dieser Horrornachricht, die gleichwohl nicht ganz unbekannt klingt, beginnt Frank Schirrmacher sein „Methusalem Komplott“, den flott und dramatisch zugleich geschriebenen Report über die unabänderlich auf uns zukommende demographische Katastrophe. Es ist nicht nur die höhere Lebenserwartung, deren gegenwärtige Durchschnittswerte sich den historischen Maximalwerten angleichen und deren Maximum noch gar nicht sichtbar ist, die zur Sorge Anlass gibt. Noch bedeutsamer ist die niedrige Fertilitätsrate namentlich der europäischen Gesellschaften ( verbunden übrigens mit extrem hohen Abtreibungsraten, die Schirrmacher merkwürdigerweise nicht erwähnt) die das ganze Ausmaß der Überalterung deutlich macht. In einer Welt der Großväter werden die Enkel knapp, und wenn die Enkel Großväter sein werden, wird es noch weniger Enkel geben – sogar in China, wo im Jahre 2050 über 330 Millionen Menschen über 65 leben werden. Gerade in dem Augenblick, in dem die westliche Kultur als die dominante Weltkultur das Maß der Dinge zu sein beansprucht, beginnt sie grotesk zu überaltern, biologisch gesprochen: an Vitalität zu verlieren, während es in den traditionellen islamischen Kulturen zu einem rasanten Jugendschub kommt. So ist der Kampf der Kulturen und der Kampf der Generationen untrennbar für Schirimacher miteinander verquickt, er hält es sogar für möglich, dass der islamitische Terrorismus unserer Tage eine Folge der Verjugendlichung muslimischer Gesellschaften. Überalterung im Westen, hohe Fertilität und Migration der Muslime werden auf jeden Fall dazu führen, dass in Deutschland schon in wenigen Jahrzehnten ein Drittel aller Deutschen ausländischer Herkunft und die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen unter 18 muslimisch sein werden. Dass die herkömmlichen sozialen Sicherungssysteme schon ohne den Migrationdruck hochfertiler aber schlecht ausgebildeter Eiunwanderer unter diesen Umständen niemals überdauern werden, ist für Schirrmacher ausgemacht. Selbst wenn im Jahre 2023 in Deutschland keine Partei mehr in der Lage sein wird, ohne die 65-jährigen die Mehrheit zu erzielen und wenn die Älteren auf diese Weise in der Lage wären, die jüngere und mittlere Generation auszubeuten, werden sich die Betroffenen dagegen zur Wehr setzen, so dass auch in dieser Hinsicht mit extrem verschärften Auseinadersetzungen zu rechnen ist. Allerdings ist nach der Auffassung des Autors der Krieg der Generationen schon längst in Gang: die notorische Abwertung des Alters im Zuge des vorherrschenden Jugendkultes erzeugt bei den Alten ein Gefühl er Nutzlosigkeit und Überflüssigkeit, das unbedingt überwunden werden muss, soll noch in Zukunft die Mehrheit der Gesellschaft nicht vom allgemeinen Lebensekel überwältigt werden. Schirrmacher warnt sogar vor der Entstehung ethischer Systeme, die den überzähligen Alten freiwilligen Suizid als Dienst an der Gesellschaft nahe legen. Stattdessen plädiert er für eine durch die Alten selbst vorzunehmendne Neubewertung des Alters, wobei es allerdings nicht ohne eine Prise Optimismus abgeht. Denn wenn man fragt, wer diese Umwertung der Werte zu Wege bringen soll, lautet die Antwort: die Generation der zwischen 1945 bis 1960 Geborenen, die berühmten „Babyboomer“, die es nicht nur geschafft haben, die westliche Welt zu liberalisieren und einen Weltkrieg zu vermeiden, sondern denen Schirrmacher auch zutraut, dass sie, sobald sie ab 2010 massenhaft in Rente gehen, diese geistig-moralische Revolution durchführen werden. Na Gottseidank, denkt man, wenn man das Buch zuschlägt. Es gibt noch Hoffnung, vor allem dann wenn ich selbst ein „Babyboomer“ bin.

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