Schreiber: Die Kandiatin

Wir befinden uns in der Mitte des 21. Jahrhunderts, und Bundestagswahlen stehen an. Deutsche über 70 dürfen nicht mehr wählen, dafür wurde das Wahlrecht auf 16 Jahre herabgesetzt und auf die nichtdeutsche Wohnbevölkerung ausgeweitet.   Normale Nachrichten gibt es schon lange nicht mehr. Informationen werden durch die Außenstellen der Ministerien und von genannten „Peer-Journalisten“ vertrieben, die ihre Klientel mit den passendem Meinungsbeiträgen versorgen   Ein „Vielfaltsförderungsgesetz“ definiert unterschiedlich privilegierte Kategorien von Diversität,  die in die Personalausweise eingetragen werden.  Ein Sonderkündigungsrecht für Nicht-Diverse erlaubt es, Weiße aus ihren Positionen zu entfernen, wenn ein Diverser zur Verfügung steht. Der Begriff „Islam“ wurde unter Strafandrohung durch „Friedensreligion des Islam“ ersetzt. Für alle universitären Positionen ist ein verpflichtender öffentlicher „Peinlichkeitstest“ vorgeschrieben, der verhindern soll, dass sich nicht genderaffine Weiße/Rechte/Faschisten in den Bildungsbereich einschlichen.

Was sich in dieser Aufzählung wie ein Albtraum anhört, ist das Bühnenbild für Constantin Schreibers Roman „Die Kandidatin“, in dem sich die charismatische Muslima Sabah Hussein für das Amt der Bundeskanzlerin bewirbt. Getragen von den Lobgesängen der veröffentlichten Meinung und gehasst von der radikalen Rechten sieht sie als Spitzenkandidatin der „Ökologischen Partei“ einem scheinbar sicheren Sieg entgegen – bis das Attentat einer rechten Aktivistin den Wahlkampf unterbricht.  Die Kandidatin liegt lebensgefährlich verletzt im Krankenhaus, während die empörte Migrantenjugend plündernd durch weiße Viertel zieht.

Constantin Schreiber, der das zukünftige Deutschland in so düstern Farben malt, (weitere Einzelheiten hier) ist weder ein Rechtspopulist noch ein Verschwörungstheoretiker. Jahrelang hat er im Nahen Osten gelebt, war Nahostkorrespondent der Deutschen Welle und moderierte Wissenschaftssendungen in arabischer Sprache für das ägyptische Fernsehen. 2017 wurde Constantin Schreiber landesweit bekannt, als er in seinem Buch „Inside Islam“ einer bass erstaunten deutschen Öffentlichkeit erklärte, welch erschreckendes Ausmaß an islamistischem Radikalismus sich hinter den Mauern hiesiger Moscheen artikuliert. Sein Buch „Hundert Peitschenhiebe: Weil ich sage, was ich denke“ über den arabischen Blogger Ralf Badawi wurde ein internationaler Erfolg. Seit 2020 arbeitet der 42jährige Autor als Tagesschausprecher im Hauptprogramm der ARD

Umso erstaunlicher, dass ein Journalist, der sein Geld im Zentrum des Mainstream verdient,   dem Mainstream und seine Marotten so deutlich den Spiegel vorhält. In einer Zeit, in der über Fernsehschauspieler, die sich kritisch zur Regierungspolitik äußern, ein medialer Shitstorm hereinbricht, macht der Autor Diversitätskulte, Quotenhypertrophie, Cancel Culture und die Entgleisung der Parallelgesellschaften zum Thema seiner Dystopie. Der Leser müsste schon mit Blindheit geschlagen sein, um  nicht zu erkennen, dass die Exzesse, wie sie der Autor für die nahe Zukunft beschreibt, Entartungen sind, deren giftige Keime den Leser schon jetzt umgeben,

Zweifellos ein mutiges Projekt, aber wie es gelungen? Um die Wahrheit zu sagen: Von einem „Roman“ im klassischen Sinn mit psychologisch glaubhaften Protagonisten und einer nachvollziehbaren Handlung wird man nur sehr eingeschränkt sprechen können. Bei dem vorliegenden Buch  handelt es sich eher um einen „Doku-Roman“, bei dem die Romanform wie eine Trägerrakete funktioniert, mit der der Autor sein weltanschauliches Anliegen in den öffentlichen Orbit schießt.  Für diese Gattung gibt es zwar noch keinen anerkannten Namen, aber viele erfolgreiche Beispiele, etwa „Circle“ von David Eggers, „Der Schwarm“ von Frank Schätzing oder „Welt in Angst“ von Michael Crichton. Diese Bücher sind literarisch von bescheidenem Wert, aber ihre Lektüre lohnt trotzdem  – bei  Schätzing, um sich über Details der Meeresökologie unterhaltsam informieren zu lassen, bei Eggers, um Einiges über die totalitären Auswüchse zukünftiger Digitalisierung zu erfahren und bei Crichton, um sich mit Argumenten gegen die Klimahysterie zu wappnen. Bei solchen Büchern  kann man die Handlung getrost vergessen, ist aber trotzdem nachher schlauer als vorher.

Was Schreibers Buch von Eggers, Schätzings oder Crichtons „Doku-Romanen“ unterscheidet, sind die Stilmittel der Übertreibung und Satire, die, reichlich eingesetzt, durchaus unterhaltsam sind. Köstlich die Szene, in der die deutsche Bundeskanzlerin bei einem  Chinabesuch zugeben muss, dass man in Deutschland zwar über keine eigene Digitalstruktur, aber dafür über „drei Geschlechter“ verfügt. Weniger freundlich beschreibt der Autor die kaum verhüllten egomanischen Motive der handelnden Politiker, angefangen bei der „Kandidatin“, die aus ihrem Muslimsein ein Geschäftsmodell macht und ihrem Förderer Innenminister Gerhard Reuter, der die junge Muslima protegiert, um sich die Unterstützung der Migrantenverbände zu sichern. Ein Schelm, wer hier an einen ehemaligen Außenminister und eine muslimische Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement in Berlin denkt. Sogar ein wenig Baerbock-Feeling stellt sich ein, wenn man von einem ehemaligen grünen Minister aus Schleswig Holstein liest, den die Kandidatin auf ihrem Weg zur Parteispitze als „Mann von gestern“ abräumte. Gegen ihren rein taktisch eingesetzten Feminismus haben weder liberale Muslima noch ihr angegrauter Gegenkandidat von der „Christlichen Partei“ eine Chance. Am Ende ist es eine weiße Frau, die die den Hass der diskriminierten Biodeutschen nicht anders zu artikulieren weiß, als durch eine blutige Gewalttat.

Kein Zweifel, dass Schreiber damit am Ende seines Buches einen heiklen Plot konstruiert, der von seinen Kritikern ganz sicher missverstanden werden wird. In Wahrheit steckt in der Geschichte vom Attentat und dem sich anschließenden Prozess, mit dem das Buch endet, eine eindringliche Warnung: Je intoleranter sich der Diversitätsabsolutismus in der Gesellschaft austobt, je bedenkenloser konservative Positionen aus dem Diskurs ausgeschlossen und stigmatisiert werden, desto eher ist mit einer gewalttätigen Radikalisierung der Rechten zu rechnen. Sie zöge damit nur mit der bereits existenten gewalttätigen Linken gleich, und der Bürgerkrieg wäre da. In der eindringlichen Warnung vor einem solchen Weg in den Bürgerkrieg  liegt der  Wert dieses Buches.

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