Schwelin: Joschka Fischer

Schwelin Joschka FischerWer ist das? Kind einer deutschstämmigen Familie, die am Ende des zweiten Weltkrieges aus Ungarn vertrieben wurde, Schulabbrecher, Ausreißer, der von daheim abhaut und bis Kuwait trampt, Mitglied der Frankfurter Sponti-Szene mit starkem Hang zu Randale, verurteilter Rabauke, dann plötzlich Trittbrettfahrer einer ökologisch-pazifistischen Partei, ohne dass er mit Ökologie oder Pazifismus irgendetwas am Hut gehabt hätte, dann aufgrund seiner großen Klappe und seiner Intelligenz ehe man sich versieht mediales Aushängeschild dieser Partei und als solcher Mandatsträt, Oppositionsführer, Minister, Außenminister und wenn er nicht gestorben ist, lehrt er noch heute als ehrenwerter Professor auf vornehmen amerikanischen Universitäten. Richtig, die Rede ist von Joschka Fischer, einer der erstaunlichsten Figuren der bundesrepublikanischen Geschichte, die neben all diesen rastlosen Aktivitäten auch noch die Zeit gefunden hat, fünfmal zu heiraten ( bei Redaktionsschluss des vorliegenden Buches waren es zwar nur vier Ehen, aber eine ist inzwischen hinzugekommen, und es wird sicher nicht die letzte sein.).

Der Zeit Reporter Michael Schwelien hat in dem vorliegenden Buch versucht, sich dieser erstaunlichen Gestalt streng objektiv ohne Heldenverehrung und unpejorativ zu nähern.In dreizehn Kapiteln wird das Leben Fischers dabei nicht chronologisch sondern systematisch entfaltet – ein Abschnitt beschäftigt sich zum Beispiel mit Fischers Sponti- und RAF-Phase, ein anderer mit Fischer und den Frauen“, ein nächster mit Fischer und der Außenpolitik, es folgen Fischer und der Kosovo Krieg, Fischer und sein Aufstieg bei den Grünen und so weiter. Auch wenn sich jedes dieser Kapitel absolut gut liest, wird leider durch diese Art der Darstellung die nahe liegende und verlockende Chance vertan, anhand der Biographie Fischers gleich noch eine andere Geschichte der Bundesrepublik vorzulegen. So erscheinen die gleichen Personen in den unterschiedlichsten Kontexten, zwischen den Zeitebenen wird andauernd hin und her gesprungen, was dem politisch Informierten vor keine unlösbaren Probleme stellen, den Leser, dem es nur nach einer Einführung verlangt, aber etwas verwirren wird. Nur bei der Darstellung und dem Vergleich der beiden Alphatiere Joschka Fischer und Gerhard Schröder bewährt sich dieses Verfahren aus das Glänzendste, und die vergleichende Charakteristik dieser beiden egomanischen Solipsisten (Konrad Adam) gehört zu den Stärken des Buches. Es ist schon beachtlich, welche lange Reihe von Gegnern und Konkurrenten der Gerd und der Joschka gleichermaßen hinter sich ließen, ehe sich die beiden in den höchsten Staatsämtern wiedertrafen.

Hervorzuheben allerdings ist die kühle Objektivität, mit der sich Schwelien seinem Thema nähert. Anders etwa als die hagiographische Lebensbeschreibung, die der ehemalige Pressesprecher Bela Anda seinem Chef Gerhard Schröder zukommen ließ, verschweigt Schweln dem Leser auch nicht die Brüche, Unstimmigkeit und Unwahrheiten in der Fischer Žschen Biographie – etwa die bis heute nicht ganz aufgeklärte Beziehung des jungen Fischer zur RAF-Terrorszene, die Einseitigkeiten bei der Kosovo-Politik und die bedenkenlose Manipulationsneigung des Machtmenschen Fischer. Und ob unserer ehemaliger Außenminister tatsächlich die geistige Statur besitzt, die ihm die Medien andichten, wird man – denkt man nur an Fischers absurden Vergleich des Kosovo mit Auschwitz – gemeinsam mit dem Autor durchaus bezweifeln können. Auf der anderen Seite aber wird auch deutlich, dass Fischer eine weltfremde Gutmenschenpartei wenigstens seit seiner Zeit als Außenminister und Vizekanzler teilweise an die Realitäten des internationalen politischen Systems herangeführt hat. Doch man wird aber auch festhalten müssen, dass dieser Exponent eines postmaterialistischen Lebensgefühls mit der plebejischen Wucht seiner Erscheinung dazu beigetragen hat, dass unser Gemeinwesen sich mit dem Durchbruch dieser libertären Werte eine ganze Latte von Existenzproblemen aufgebürdet hat, die die nächsten Generation ohne sichere Energieversorgung, ohne eine ausreichende Zahl von Kindern und ohne innere Sicherheit wird tragen müssen.

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