Unter den Bonner Politikern nimmt der CDU Abgeordnete Bernhard Vogel insofern eine Sonderstellung ein, als er als einziger Politiker der Republik nacheinander Ministerpräsident zweier Bundesländer war, erst von Rheinland Pfalz, dann von Thüringen. Zeitweise noch bedeutsamerer Stern in der bundesrepublikanischen Politik aber war sein älterer Bruder Hans Jochen, den sein Lebensweg vom Münchener Oberbürgermeister zum Minister Willy Brandt, Regierendem Bürgermeister in Berlin zu Kanzlerkandidatur gegen Helmut Kohl, Fraktionschef und Parteivorsitz der SPD führte. Wer einen solchen Lebensweg zurückgelegt hat, kann viel erzählen, und so gleicht das vorliegende Buch mehr einer kleinen Geschichte der Bundesrepublik seit 1970, in der alle wesentlichen Stationen der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung vom Autor aus nächster Nähe miterlebt und beschrieben werden. Es ist der Blickwinkel eines guten und freundlichen Hausvaters, der sich um die Regierungsfähigkeit der „alten Tante SPD“ sorgt, der sich zwischen Willy Brand und Helmut Schmidt nicht zu entscheiden wünscht und der das beste tut, um die Partei in der stürmischen Zeit nach dem Verlust der Regierungsmacht die Sozialdemokratie im Angesicht der aufkommenden Friedensbewegung aus Kurs zu halten. Zweierlei fällt dabei auf. Zunächst die Sachlichkeit , mit der Hans Jochen Vogel selbst brisante Vorgänge wie den Sturz Brandts, die Machenschaften der so genannten „Enkel“ oder den Prozess der Einheit schildert. Wer beißenden Spott oder Enthüllungsliteratur erwartet, ist mit diesem Buch schlecht bedient. Vogels Sachlichkeit ist zwar nicht ohne eine Gewisse Betulichkeit, wenn er berichtet, wie Richard von Weizsäcker und er sich im Berliner Abgeordnetenhaus mit Plato-Zitaten gegenseitig belehrten. – aber der Gang der Darstellung ist plastisch und relativ unparteilich, was sich für einen „Parteisoldaten“, als den sich Vogel ja auch sah, nicht von selbst versteht. Trotzdem bleibt bei aller Freude an dem vorliegen Buch ein Unbehagen, das sich vor allem im letzten Teil des Buches konkretisiert, in dem sich Vogel mit der Zukunft der Sozialdemokratie beschäftigt. In einer Zeit, in der sich gerade auch unter einem Kanzler Helmut Kohl die Soziademokratisierung der Republik als immer ausufernder Sozialstaat schon fast unverrückbar einbetoniert hatte, in der die Wissenschaftler schon vor demographischen Problemen und ökonomischer Erosion in naher Zukunft warnten, meint der Autor frohgemut am Ende seines Buches „Die Sozialdemokratie befindet sich auf der Höhe der Zeit,“ eine Meinung, die ihn eben doch als Mann einer Zeit enthüllt, die bereits zu Ende war, als er die Feder zu dem vorliegen den Buch ergriff.