Wachsmann: Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager

 Wachsmann KZ _Zu den bittersten Erfahrungen, die ein Deutscher auf einer Reise durch Osteuropa machen kann, gehört der Besuch eines Konzentrationslagers. Und leider gibt es davon eine ganze Menge. Ich war in Maidanek, Ausschwitz, in Minsk und an anderen Orten in Weißrussland und der Ukraine, und immer war es wie ein Schlag vor den Kopf, verbunden mit der Frage, wie dergleichen möglich war.  Auf literarischer Eben hat Jonathan Littell in seinem großen Roman „Die Wohlgesinnten“ eine Antwort versucht. Dokumentarisch bietet das vorliegende Werk  eine zusammenfassende Darstellung des Unbegreiflichen.

Nikolaus Wachsmann schildert die Geschichte der Konzentrationslager von ihren Anfängen als Sammellager für politische Gefangene bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Es ist hier nicht der Ort, die Einzelheiten dieser Genese darzustellen, die Entmenschlichung der Lebensverhältnisse, die kalte Rationalität der SS Führung oder die zahllosen, erschütterten Einzelschicksale, die dem Leser auf fast jeder Seite des Buches begegnen. Während der Lektüre wurde mir klar, dass dieses Buch auf zwei Weisen gleichzeitig gelesen werden will: auf einer moralischen Ebene wie eine Mahnung darüber, was menschenmöglich ist und deskriptiv als eine akribische Geschichte der Konzentrationslager. Neu für mich war, wie sich die Konzeption der Lager im Laufe der Zeit veränderte, von Gefängnissen, über Arbeitslager bis hin zu Orten des Todes. Erst mit dem Beginn des Russlandfeldzuges und der Räumung der osteuropäischen Ghettos entstanden  die eigentlichen Vernichtungslager – deren betrieb aber schon eineinhalb Jahre später aufgegeben werden musste, als die Wende des Krieges eintrat und die deutschen Armeen zurückwichen. Fast noch bedrückender sind die zahllosen Zeugnisse menschlicher Niedertracht asozialster SS Kreaturen, die Schatten der Endlösung ihre psychopathischen Instinkte ungehemmt ausleben konnten. Das Buch endet mit der Beschreibung eines weitgehend unbekannten Kapitels der Weltkriegsgeschichte: der überstürzten Auflösung und der Verlegung von hunderttausenden Gefangener nach Westen während des Vorrückens der Roten Armee.

Ich habe dieses Buch mit Schmerzen gelesen und bin doch dem Gesamtverständnis nicht wirklich näher gekommen. Abseits der banalen Einsicht, dass der Mensch eben zu allem in der Lage ist, bleibt man ratlos angesichts dieser Enzyklopädie der absoluten Inhumanität. Jeder Deutsche, der stolz ist auf die Kultur und Gesittung seiner Nation, wird mit Scham und Schande zur Kenntnis nehmen müssen, welchen schrecklichen Spitzenplatz in der Skale der Unmenschlichkeit sich die Deutschen in diesen Jahren erworben haben.

 

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