Walesa: Der Weg der Hoffnung. Autobiografie

 „Kein Mensch ist vor seinem Ende glücklich zu preisen“, hieß es bei den alten Griechen. Wie das Beispiel Lech Walesa zeigt, gilt das nicht nur für die physische, sondern auch für die öffentliche Existenz eines Menschen. Unlängst ging die Meldung durch die Presse, der ehemalige polnische Staatspräsident Lech Walesa wäre pleite. Welch ein Absturz für den Friedensnobelpreisträger, ohne den man sich die Befreiung Osteuropas vom kommunistischen Joch nur schwer vorstellen kann.

Die vorliegende Biografie beschäftigt sich jmit Lech Walesa in der Stunde seiner  geschichtlichen Bedeutung, spart also alle späteren Kontroversen nach 1989 wie den Bruch mit seinen ehemaligen Solidarnosc-Mitstreitern und sein unglückliches Taktieren als polnischer  Staatspräsident aus. Erschienen ist das Werk 1986/7 noch in der Spätphase des polnischen Kommunismus, was viele der weichgespülten und affirmativen Passagen im Hinblick auf die kommunistische Nomenklatura erklärt. Als das Buch in der deutschen Übersetzung 1987 erschien, war zwar schon Gorbatschow in Moskau an der Macht, der epochale Absturz des gesamten Ostblicks zwei Jahre später war aber noch nicht abzusehen.

Denkmal der Arbeiterproteste vor der Danziger Leninwerft

Lech Walesas Autobiografie beginnt mit der Familiengeschichte der Walesas und dem Schicksal von Lechs Vater Boleslaw, der an den Folgen der schweren Misshandlungen verstarb, die ihm die Deutschen im Arbeitslager zugefügt hatten.  Walesas Jugend und beruflicher Werdegang werden nur kurz beschrieben, dann folgt im Hauptteil des Buches die Darstellung des Streiks auf der Danziger Leninwerft und der berühmten „500 Tage der Freiheit“, die im Dezember 1981 mit der Ausrufung des Kriegsrechts durch General Jaruzelski enden. Das Buch klingt aus mit einer Beschreibung der ersten Jahre des Kriegsrechts, mit Walesas Internierung, seiner Wiedereinstellung in die Leninwerft, der Verleihung des Friedensnobelpreises im Jahre 1983 und seiner Rede am Grab des von den Kommunisten ermordeten Paters Jerzey Popieluszko im Jahre 1984.

Denkmal des ermordeten Arbeiterpriesters Jerzey Popieluszko in Jasna Gora

Nicht immer ist die Lektüre dieser Autobiografie ein uneingeschränktes Vergnügen, denn Lech Walesa ist kein Stilist und redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Salopp gesagt, ähnelt seine Autobiografie einer  polnischen  Bortschsuppe, die nicht eigentlich exzellent, aber solide und nahrhaft ist. Der Wert des Buches liegt im Festhalten von Einzelheiten, die es Wert sind, behalten zu werden, im Anekdotischen und Psychologischen und in der  Beschreibung von Stimmungen die mitunter recht eindringlich daherkommen. Wer sich dafür im Detail interessiert, der klicke hier. An allen maßgeblichen Etappen seines Lebens zwischen 1943 bis 1986 hält der Autor inne und gönnt dem Leser Einblicke in sein  religiöses und politisches Denken. Sichtbar wird dabei ein durch und durch religiöser Mensch, der kein großer Leser, aber doch ein großer Redner war. Niemand verstand es wie er, in der Konfrontation mit den Massen die richtigen Worte zu finden (während er stotterte, wenn er eine Rede vom Blatt ablesen musste). Er war der richtige Mann der Stunde, sowohl im „Karneval der Freiheit 1980/1“ als auch während der Verhandlungen des Runden Tischs, 1989, die im Buch nicht mehr beschrieben werden. Diese Faszination des unmittelbaren Eindrucks, seine Schlagfertigkeit und Schläue, kommen in dem vorliegenden Buch naturgemäß nicht zum Tragen. Für jemanden, der sich für die polnische Geschichte der 1980er Jahre interessiert ist das Buch  eine gute Ergänzung zu  zu Timothy Garton Ashs Buch „Ein Jahrhundert wird abgewählt“ oder Borodziejs „Geschichte Polens im 20. Jahrhundert“.

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