Zucconi: Jerzey Popieluszko 1947-1984

In den Märtyrern der Kirche zeigt sich die Wahrheit ihres Wesens, schreibt Kardinal Reinhard Marx im Vorwort des vorliegenden Buches. Auch wenn gegen Kardinal Marx Vieles einzuwenden ist, wo er Recht hat, hat er Recht, und nirgendwo trifft diese Bemerkung stärker zu als auf das Leben von Jerzey Popieluszko, einem polnischen Priester, der in der Spätphase der kommunistischen Diktatur in Polen von drei Offizieren des kommunistischen Geheimdienstes  ermordet wurde.

Das vorliegende Buch von Cesare G. Zucconi  ist die erste umfangreiche Lebensbeschreibung Popieluszkos im deutschsprachigen Raum.  Auf dem Hintergrund zahlreicher Quellen aus den Archiven des Vatikans und der kommunistischer Geheimdienste, aber auch mithilfe von Zeitzeugen und Wegbegleitern, rekonstruiert der Autor das kurze Leben eines polnischen Helden, der zum Symbol der Katholizität seines Volkes wurde. Zucconi beschreibt, wie Jerzey Popieluszko im Jahre 1947 in Ostpolen geboren wurde, trotz aller Widrigkeiten das Priesterseminar in Warschau und den schikanösen Wehrdienst absolvierte, ehe er vom polnischen Primas Stefan Wyszynski zum Priester geweiht wurde. Er sammelte Erfahrungen als Arbeiterpriester im Stahlwerk von Huta Warszawa, ehe er als Kaplan und Seelsorger der Kirche Sankt Stanislaus Kostka in Warschau-Zoliborz zugeordnet wurde.  Nach der Ausrufung des Kriegsrechts und dem Verbot der Gewerkschaft Solidarnosc  wurde der junge Priester mit seinen aufsehenerregenden „Messen für den Frieden“ zu einer landesweit gehörten Stimme der Opposition. Als alle Einschüchterungsversuche, Verhöre und  Pressekampagnen nichts nutzten, beschloss der polnische Geheimdienst den Tod des Priesters. Drei Geheimdienstoffiziere, deren Namen es nicht verdienen, erwähnt zu werden,  stoppten Popieluszkos Wagen am 18. Oktober 1984 in einem Waldstück zwischen Bromberg und Warschau, schlugen ihn halb tot und warfen ihn noch lebend und gefesselt in einem Sack, mit Steinen beschwert, in einen Staudamm. Wegen eines Augenzeugens konnten die drei Mörder schnell gefasst werden.

Statue von Jerzey Popieluszko in Jasna Gora/ Tschenstochau (Polen)

An der Beerdigung Popieluszkos nahmen über 100.000 Menschen teil, unter anderem der Primas der katholischen Kirche und der Gewerkschaftsführer  Lech Walesa. Der folgende Prozess, der in dem vorliegenden Buch ausführlich beschrieben wird, gehört zu den bedrückendsten Passagen des Buches. Das bis auf die Knochen bloßgestellte Regime tat alles, um durch ein Gespinst von Lügen und Verleumdungen die offensichtliche Wahrheit zu verdecken: nämlich, dass die Spur der Mörder ganz nach oben führte. In Stasi-Akten wurden nach dem Ende der DDR  Briefe gefunden, in denen sich einer der Mörder  bei Innenminister Kiszczak darüber beschwert, dass er im Gefängnis schmachten muss, obwohl er nur Befehle von oben befolgt habe. Umso perfider mutet es an, dass eben dieser Innenminister von General Jaruzelski 1985  mit der systemgerechten Schnellabwicklung des Prozesses gegen die drei Mörder betraut wurde. Selbstverständlich entgingen die Mörder der Todesstrafe, erhielten allerdings Haftstrafen von 25, 15 und 14 Jahren. Diese strafen wurden noch vor Ende der kommunistischen Diktatur erheblich abgesenkt, so dass jeder der Mörder längst wieder als freier Mann, wenngleich unter falschem Namen, herumläuft.  Übrigens wurde auch Innenminister Kiszczak, höchstwahrscheinlich der höchstrangige Drahtzieher des Mordes, nach dem Zusammenbruch des Kommunismus angeklagt, aber niemals verurteilt.

Von der katholischen Kirche ist Jerzey Popieluszko inzwischen selig gesprochen worden. In Deutschland war seine Geschichte bislang eher unbekannt. Insofern schließt das vorliegende Buch eine Lücke, auch wenn das, was es zu erzählen hat, betroffen macht.

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