Märtin: Dracula. Das Leben des Fürsten Vlad Tepes III

Märtin DraculaRalf Peter Märtin hat in seiner Biographie über Vlad Tepes, den sagenumwobenen Fürsten der Walachei nicht nur eine packend zu lesende Biographie vorgelegt sondern das Drama eines Jahrhunderts entfaltet. Zwei Hauptdarsteller stehen sich im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts gegenüber: auf der einen Seite das osmanische Reich mit seiner strafen Militärmonarchie, seiner auf Expansion angelegten Außenpolitik, dem es gelingt durch die Janitscharentruppen und die Entmachtung des türkischen Adels, durch den Aufbau eines funktionierenden Steuerwesens, einer nahezu unschlagbaren Artillerie und schließlich sogar einer Flotte aus den Kräften der unterworfenen Völker heraus eine Macht zu akkumulieren, der kein Gegner auf die Dauer standhalten kann. Auf der Anderen Seite finden wir die christlichen Reiche – verwickelt in im Widerstreit von katholischer und korthodoxer Konfession, im Gegensatz von König und Adel , Adel und Bauerntum. und den zahlreichen ethnisch begründeten Aversionen, die diesem Feind nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen haben. Die Kämpfe beginnen, als die Türken 1432 die Donau während der Hussitenkriege im Norden in Siebenbürgen einfallen, jener blühenden und rohstoffreirechen ungarischen Provinz mit seinen reichen deutschen Städten, und ihren ersten Generalangriff auf das Abendland eröffnen. Johann Hyundai, der nach dem Tod König Albrechts II zum Großfeldherr der vereinigten ungarischen und polnischen Aufgebote wird, schlägt die Türken aus Siebenbürgen zurück und tritt gleich zweimal zum Gegenangriff an, die jedoch 1444 bei Varna und 1448 in der zweiten Schlacht auf dem Amselfeld misslingen. In der Mitte des 15. Jahrhunderts, mit dem Tod Sultan Murads II, und seinen Gegenspielern Johannes Hyundai verschärfen sich die Gegensatze, eine neue Generation tritt zum Endkampf an – allen voran Sultan Mehmet II, der Konstantinopel erobert, Belgrad belagert, Siebenbürgen plündert, Bosnien und Serbien erobert und seine Flotten nach Italien schickt.
Ihm stehen auf der anderen Seite die christlichen Fürsten gegenüber, Mathias Corvinius , der König von Ungarn, Stefan der Große der Fürst der Moldaufürstentümer und Vlad Tepec, der Wojwode der Walachei, die so gut sie können, aber am Ende vergeblich den Vormarsch der Türken aufzuhalten suchen. Vor allem Vlad Tepec, der rumänische Nationalheld und Türkenschreck, bleibt seinen türkischen Gegner in den jahrzehntelangen Auseinadersetzungen nichts schuldig, und die Kunde von seiner Grausamkeit und Unerbittlichkeit sollte ihn in der Gestalt des Grafen Dracula überleben und noch die späteren Jahrhunderte ängstigen. Aber nicht nur die Türken hatten nichts Gutes vom walachischen Wojwoden zu erwarten: seine adeligen Bojaren ließ Vlad Tepec bei einem Festmahl gefangen nehmen und pfählen, und in der Auseinandersetzung mit den reichen deutschen Städten scheute er auch nicht vor einer Verwüstung des eigenen Landes zurück. Sechs Jahre lang, zwischen 1456 bis 1462 gebärdete er sich – ganz im Unterschied zum Moldaufürsten Stefan dem Großen und Skandererg – auch gegenüber seinem eigenen Volk wie ein Satan in Menschengestalt, bis ihn der ungarische König Matthias Corvinius wegen eines nachgewiesenen Verrates dreizehn Jahre lang gegangen setzt und erst wieder frei lässt, als Vlad Tepec zum römisch katholischen Glauben übergetreten und ein neuer walachischer Wojwode in einem neuen Türkenkrieg erforderlich war. Irgendwann 1476/7 ist Vlad Tepec dann nach unzähligen weiteren Gemetzeln gestorben – ob erschlagen oder ermordet, das bleibt unklar. Klar aber war, dass die Türken innerhalb weniger Jahre nach Vlad Tepecs Tod ihren Einfluss auf dem Balkan wiederherstellen. Allein der Tod Sultan Mehmets II 1482 verschaffte dem christlichen Norden noch eine Schonfrist von einigen Jahrzehnten. 1526 sollte dann Ungarn, das letzte Bollwerk des christlichen Balkans endgültig zusammenbrechen. Ralf Peter Märtin erzählt diese Zusammenhänge ungemein anschaulich, prägnant und kompetent – befremdlich ist nur die merkwürdige Sympathie des Autors für den psychopathischen Wojowden, in dem er den Exponenten einer neuen Zeit zu erkennen glaubt, für den der Grundsatz zu gelten scheint: Wo gehobelt wird, wird auch schon mal gepfählt.

 

Kommentar verfassen