Dahlheim: Augustus

Augustus _Christian Meier hat die Zeit der späten römischen Republik als „Krise ohne Alternative“ bezeichnet. Er meinte damit, dass die Zersetzungserscheinungen des republikanischen Roms mit seinen eigenen Mitteln nicht mehr zu lösen waren. Einhundert Jahre römischer Bürgerkrieg, immer neue Machthaber, die aufstiegen und stürzten, gaben ihm Recht. Selbst Cäsar war nicht in der Lage gewesen, den Knoten zu durchschlagen. Erst vor diesem Hintergrund wird die  Sonderstellung, man könnte fast sagen: die Einzigartigkeit deutlich, die man Kaiser Augustus im Rahmen der Antike zubilligen muss.  An seinem Beispiel erwies sich,  was die geschichtliche Erfahrung ansonsten für unmöglich erklärt: der Aufstieg eines blutrünstigen Monsters  und seine Wandlung zum Friedensbringer nach seinem Sieg. Wie ist so etwas möglich? Die vorliegende Biografie versucht eine Antwort.

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Cäsar

Das Buch beginnt mit den letzten Monaten der cäsarischen Militärmonarchie und den Iden des März. Es folgen die Turbulenzen unmittelbar nach dem Tod Cäsars, in denen zur allgemeinen Überraschung ein harmloser 19 jähriger junger Mann sich zunächst ungeschickt, dann aber immer gewiefter in das politische Geschäft der Großen einschaltet. Die Rede ist von Octavian, dem im Jahre 63 vdZ geborenen Neffen Cäsars, der an der Seite von Antonius und Lepidus als Triumvir unter Cäsars Gegnern aufräumt, Brutus und Cassius besiegt und schließlich Italien von der seeräuberplage des Sextus Pompejus befreit. Der Endkampf um die Alleinherrschaft gegen Antonius, den Herrn des Ostens, bildet den ersten Hauptteil des Buches. Der Seesieg von Actium, der im Wesentlichen auf das Konto seines Feldherrn Agrippa geht, macht ihn zum Alleinherrscher des römischen Weltreiches.

Wie aber sollte seine Stellung hinfort verfassungsrechtlich gestaltet werden? Cäsars Lösung der Selbstvergottung und Tyrannis hatte sich für die römische Tradition als untauglich erwiesen. Octavian wählte einen anderen Weg. Als „Princeps“, als vermeintlich Erster und Gleichen und ausgestattet mit der a (01)cUnantastbarkeit des Volkstibunats regierte er nach Actium  noch fast ein halbes Jahrhundert bis zu seinem Tod im Jahre 14 ndZ. Seine Idee, die Provinzen in senatorische (friedliche) und kaiserliche (militärisch relevante) Provinzen einzuteilen und sich selbst als permanenter Prokonsul die Letztentscheidung aller militärischen Fragen vorzubehalten, erwies sich als zukunftsfähig. Heikel war die Entwaffnung und Versorgung der Hunderttausende Bürgerkriegssoldaten, die nicht ohne Enteignungen abging. Erst die Beute des ägyptischen Feldzuges verschaffte Octavian–Augustus  ein wenig Luft. In imperialer Hinsicht war die Zeit des Augustus eine Epoche der Ausdehnung und Abrundung „natürlicher“ Grenzen an Donau, Rhein und am Rand der Wüste, auch wenn das Projekt der Elbe-Grenze scheiterte. Das Problem der Soldatenrekrutierungen löste Augustus, a (03)indem er dazu überging, aus neuen Provinzen einheimische Regimenter auszuheben, sie in anderen Reichsteilen einzusetzen und ihnen nach einer 25 jährigen Dienstzeit das römische Bürgerrecht zu verleihen. Auf diese Weise kam es zu einer weitgehenden Romanisierung des Reiches, denn die Legionäre erhielten nach dem Ende ihre Dienstzeit oft Land- und Stadtrechte in neu gegründeten Metropolen in den Peripherien des Imperiums.  Last not least bedeutete das von Augustus begründete Principat eine  Hemmung der Ausbeutung der Provinzen durch die römische Aristokratie, denn viele Städte in den Provinzen besaßen nun ein Apellationsrecht an den Princeps, das sie auch wahrnahmen. Weniger Glück hatte Augustus mit seinen Moralgesetzen. Er schrieb seinen Untertanen eine Pflichtehe mit mindestens drei Kindern vor, ohne selbst diesen Anforderungen gerecht zu werden. Einen männlichen Nachfolger hat er, obwohl er seine Tochter Julia dreimal verheirate, nicht  bereitstellen können, So dass er auf seinen Stiefsohn Tiberius zurückgreifen musste.

All diese Sachverhalte erfährt der Leser auf den ersten dreihundert spannend erzählten Seiten. Der Rest ist Kulturgeschichte vom Feinsten, nicht jedermanns Sache, aber doch von einer Dichte, die das vorliegende Werk über den Rang einer Biografie heraushebt und zu einer umfassenden Kulturgeschichte des Augusteischen Zeitalters macht. Alles in allem ein beispielhaftes Werk der Geschichtsschreibung. Unbedingt empfehlenswert für einen Rombesuch Allererste Sahne und 5 Länderpunkte.

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