Gleeson: Der Mann, der das Geld erfand

Eine Zeit, die die Erfahrung machen muss, dass sich manche Wege zum Paradies mehr und mehr als Holzpfade entpuppen, interessiert sich auch für die großen Pleiten der Geschichte, sind sie es doch, aus denen so viel mehr zu lernen ist, als aus den Momenten des Triumphes. Das vorliegende Buch von Janet Gleeson beschreibt eine der faszinierendsten und zugleich unbekanntesten Pleiten der Wirtschaftsgeschichte: die erste große Spekulationsblase der Neuzeit, die in einer rabiaten Papiergeldinflation und dem zeitweisen Ruin einer ganzen Volkswirtschaft mündete –  dargestellt anhand der Lebensgeschichte von John Law, dem charismatischen, gutaussehenden Enkel eines schottischen Predigers, der im hochverschuldeten Frankreich nach dem Tod des Sonnenkönigs im Jahre 1715 zum maßgeblichen Herrn der Finanzen aufstieg und das Land samt seiner Nachbarn zuerst in den siebten Himmel des scheinbar grenzenlosen Spekulationsgewinns und dann in den Abgrund des Ruins führte. Es ist die Zeit der überschuldeten Staaten, die nach dem Pfälzischen und dem Spanischen Erbfolgekrieg unter der Zinslast ihrer Schulden stöhnen, zugleich auch die Zeit der holländischen Ostindien-Kompagnie, der englischen  Südsee.-Gesellschaft und – um die phantastischste zu nennen: die Zeit der  französischen Mississippi Gesellschaft, die ihren Anteilseignern versprachen aus einem Dschungel, Schlamm und Malaria Berge von Gold zu fördern. Wie konnte daraus der Ruin der größten und bedeutendsten europäischen  Nation entstehen? Ganz einfach aus zwei Problemen: in Frankreich  herrschte Mangel an Metallgeld, und der französische Staat war total überschuldet. Auf beides wußte John Law eine überzeugende Antwort. Durch den Regenten, den Herzog von Orleans, der die Regierungsgeschäfte für den noch unmündigen späteren Ludwig XV führte, gedeckt, gab die neugegründeten Bank von Frankreich Papiergeld heraus, dass zunächst durch etwa ein Viertel seines Wertes mit Metallgeldbeständen gedeckt war, so dass jederzeit jedermann sein Papiergeld in Metallgeld umtauschen konnte. Zugleich propagierte John Law als Leiter der Mississippi Gesellschaft die Ausgabe einer Unmenge von Aktien, mit denen das französische Louisana in ein allgemeines El Dorado verwandelt werden sollte. Da die Zeichnung zunächst nur zögerlich vonstatten ging, nahm John Law auch die staatlichen Schuldpapiere als Zahlungsmittel für den Erwerb von Aktien an,  worauf die gesamte Finanzelite ihre Anteile in Aktien der Mississippi Gesellschaft  umtauschte. Die Dividenden der Mississippi-Gesellschaft  wurden in verschwenderischer Höhe durch den Druck frischen Papiergeldes durch die Bank von Frankreich gesichert, so dass eine Spekulationsmanie nach den scheinbar so lukrativen Mississippi-Aktien entstand, in deren Verlauf der Aktienkurs innerhalb kürzester Zeit von 500 Livree auf über 10.000 stieg. Der neue Markt läßt grüßen. Wie dem auch sei: Selbstverständlich wurde auf diese Weise der Geldumlauf erheblich aufgebläht, so dass sich die Menschen bald weigerten, Papiergeld anzunehmen. Auch drangen allmählich sichere Nachrichten über die Tristesse am Mississippi  nach Frankreich, so dass sich eine große Ernüchterung breitmachte. Die Aktien wurden abgestoßen und – um einen Sturz der Kurse ins Bodenlose zu verhindern – durch das Büro John Laws aufgekauft. Womit? Natürlich mit  frisch gedrucktem Papiergeld, so dass sich der Geldumlauf noch weiter aufblähte. Als der Staat schließlich per Gesetz von seinen Untertanen verlangte, alle ihre Münzbestände in Papiergeld einzutauschen, setzte ein illegaler aber gewaltiger Münzmetallexport ins Ausland ein, so dass schließlich nicht nur der Paiergeldumlauf sondern mangels Masse auch noch der Münzmetallgeldumlauf im Jahre 1721 zusammenbrach. Frankreich war pleite. John Law machte sich ins Ausland davon und lebte noch acht Jahre einsam und verbittert von den Erträgen seiner Spielerei in den Kasinos in Venedig ohne müde zu werden, sich immerhin dafür zu rühmen, die französischen Staatsschulden beseitigt  zu haben. Denn die hatten sich im Zuge der Papiergeldinflation in Luft aufgelöst. Hoffentlich geht es uns mit dem Euro icht genauso.

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