Menzel u.a.: Rechts!? Eine Strategiedebatte

Menzel RechtsWer durch die Peripherien westdeutscher Städte geht, kommt sich mitunter vor wie Neo in „Matrix“, der plötzlich aufwacht und erkennt, in welcher Katastrophe es ihn verschlagen hat.  Die schöne neue Welt des Multikulturalismus hat sich in einen Albtraum verwandelt. Trotzdem bleiben großräumige Veränderungen aus, und die Bevölkerung in ihrer Mehrheit folgt scheinbar unbeeindruckt noch immer einer Regierung, die ihr all das eingebrockt hat. Wie kann das sein? Darüber zerbrechen sich sechs „neurechte“ Intellektuelle den Kopf: Felix Menzel, Robin Classen, Gereon Bauer, Carlos Werfers, Florian Müller und J. K. Poensgen.  Das vorliegende Buch ist das Protokoll dieser Aussprache.

Einig sind sich die Diskutanten zunächst in der Identifikation des Gegners.  Es sind nicht so sehr die einwandernden Muslime, deren zweckrationales Ausnutzen ihrer Chancen letztlich verständlich ist, sondern der organisierte rotgrüne Mainstream, der Staat und Gesellschaft planmäßig der Ausbeutung und dem Niedergang aussetzen. Das sind harte Worte, die ich in dieser Apodiktik nicht unterschreiben kann. Meine rotgrünen Freunde jedenfalls verfolgen keine niedrigen Motive sondern sind nur komplett in ihrer Weltanschauung vernagelt. Was aber im Endeffekt leider auf das gleiche herauskommt. Aber nicht nur die Linken, auch die Konservativen bekommen ihr Fett weg.   Konservative sind passiv, beharrend und inaktiv, sie sind, so formuliert es ein Diskutant, letztlich „der Feind in der Burg“, was mich etwas schockte, weil ich mich selbst als  Konservativen betrachte.  Auf der anderen Seite trifft der Text durchaus etwas Wahres. Viele Konservative sind gut situierte Teilzeitempörte, deren Zorn über den Verfall von Staat und Gesellschaft bei einem guten Wein und den Klängen von Madame Butterfly schnell dahinschwindet. Nun habe ich es schwarz auf weiß: mit einer Schlaftablette wie mir ist keine Revolution zu machen.

Einig sind sich die Diskutanten weiterhin darüber, dass die geschichtliche Situation keine Passivität mehr erlaubt, denn  die Diagnose ist besorgniserregend.  Genauso wie sich die Linke wegen des Klimawandels um den Planeten sorgt, so fürchtet die Rechte wegen der Zuwanderung um  den Bestand Deutschlands, genauer gesagt, um seiner Kultur, seiner Staatlichkeit und nicht zuletzt auch um seine Ethnie. Leider steht es mit dieser Ethnie keineswegs zum Besten. Der Großteil der Deutschen sind mittlerweile verdummt, verkommen und/oder durch die Verlockungen des Konsumismus stillgestellt. „Solange der Normaldeutsche nicht überfallen wird, wenn er seine Brötchen beim Bäcker holt, ist für ihn alles in Ordnung“, wirft ein Gesprächseilnehmer ein. Das betrifft mich schon wieder, denn meine Frau musste ihren Weg zur Arbeit wegen akuter Gefährdungen in abgelegenen Straßen ändern. Muss ich mich deswegen aktivieren? Wahrscheinlich ja, aber wie gesagt, ich bin viel zu träge.   Aber gibt es nicht Anlass zur Hoffnung? fragte ein Nuerechter. Man denke nur an die Bildungsrevolution, die vor etwa einhundert Jahren die Landbevölkerung ergriff, alphabetisierte und damit auch politisierte. Was damals möglich war, muss doch auch heute denkbar sein, wenngleich natürlich auf höherem Niveau und in eine  ganz andere Stoßrichtung.  Aber eine solche patriotische Bildungsrevolution ist nicht in Sicht, ganz im Gegenteil, widerspricht der nächste  Die etablierten Medien tun ihr Bestes, das Volk weiter im Zustand der kompletten Verblödung zu halten.

KINDERKREIZZUG 857_nAber wie ist dann ein Umsteuern möglich? Durch die Entstehung einer neuen Elite? Aber wie soll diese Elite zur Elite werden, wenn Studienabbrecher an den Schaltsteleln de Macht sitzen?   Vielversprechender erscheint da schon der Ansatz bei der Jugend, die unter der Tristesse der hedonistischen Gesellschaftsverhunzung leidet und nach ideeller Orientierung sucht.  Die deutschen Konvertiten, die sich zum islamistischen Terrorismus bekehrten, lassen grüßen. Wäre da nicht was zu holen?  Kaum, wirft einer der Diskutanten ein, dafür ist die konsumenteninduzierte Gehirnerweichung bei den meisten Jugendlichen schon zu weit fortgeschritten. Linke Lehrer haben ganze Arbeit geleistet. Leider. Wie steht es denn mit der  Anwendung von Gewalt und Terror, wie es die RAF versuchte? Sinnlos, denn gegen die Straßenmacht der staatsfinanzierten Antifa und der Migrantenclans  hätten  Patrioten  in einer offenen Auseinandersetzung keine Chance. Die Forcierung der Krise scheidet auch aus ethischen Gründen aus. „So argumentieren kann nur, wer keine Kinder hat und glaubt, die Zukunft nach dem Zusammenbruch vorausberechnen zu können“, meint Felix Menzel. Immerhin argumentieren die Neurechten verantwortungsethisch, so etwas wird man bei der Antifa lange suchen müssen. Was ist denn mit einer demografischen Revitalisierung der deutschen Familie? wird gefragt. Immerhin erreicht Sachsen, das patriotischste aller Bundesländer, innerhalb Deutschlands einen demografischen Spitzenwert von 1,59. Stimmt, aber trotzdem schrumpft auch bei diesem Wert die Bevölkerung, widerspricht ein anderer.

So geht das durch das ganze Buch, und es hat etwas Rührende nachzulesen, wie die Diskutanten zwischen Zorn und Resignation, Wut und  Verantwortungsbewusstsein hin und her schwanken. Hannah Arendt, Othmar Spann, Carl Schmitt,  Oswald Spengler, am Ende sogar Rudi Dutschke haben ihre  Auftritt, können aber auch nicht weiterhelfen.  Am überzeugendsten erscheint der Mehrheit am Ende das, was auch die Menschewiki gegen die Bolschewiki, die SPD-Revisionisten gegen die Altmarxisten in der SPD dereinst  propagierten: eine an situativen Gelegenheiten und Chancen ausgerichtete Realpolitik.  Gewaltanwendung und „rückwärtsgewandte Verherrlichung homogener Epochen wie der Adenauerzeit“ führen in die Sackgasse. Das ist gut gesagt, wird aber den politischen Gegner nicht interessieren, der der neuen Rechten genau das immer wieder vorwirft. Gefragt ist stattdessen eine Realpolitik, die  auf drei Grundlagen beruht: Erstens der Nutzung der parlamentarischen Möglichkeiten, die der Aufstieg der AfD bietet, auch wenn die AfD zur Zeit noch bis an die Grenzen des Verfassungsbruchs an der Geltendmachung ihrer Rechte gehindert 002 (2)wird, zweitens – und das trifft vor allem für Ostdeutschland zu – der Schaffung eines gesellschaftlichen Umfeldes mit Sportvereinen, Nachbarschaftshilfen und Ähnlichem, das langfristig eigene, stabile Milieus schafft  – und drittens einen sehr langen Zeithorizont, denn wenn überhaupt einmal Früchte dieser Oppositionsbewegung reifen sollten, dann werden frühestens die Enkel davon profitieren.

So bleibt am Ende nur ein Trost: Unsere Enkel werden es besser haben. Hoffentlich

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