Yuval Noah Hariri: Homo Deus.

Harari Homo Deus„Historiker beschäftigen sich nicht mit der Vergangenheit, um sie zu wiederholen, sondern damit wir uns davon befreien.”  Ob das wirklich jeder Historiker unterschreiben würde, habe ich meine Zweifel, aber egal, die Sentenz bringt den Ansatz des Autors gut auf den Punkt. Es geht ihm darum, in welche Richtung sich der Mensch entwickelt. Cum grano salis sieht die Lage, lebt man nicht gerade in Äthiopien oder Nordkorea, ganz gut aus. Der Mensch hat sich nämlich von drei existentiellen Bedrohungen emanzipiert:

  • Vom Hunger – Im Unterschied zu früheren Zeiten, in denen es entsetzlich Hungersnöte gab, ist heute Verhungern heute kein Problem mehr (Ausnahmen wie in Afrika bestätigen die Regel)
  • Von der Krankheit – Pocken, Pest, Cholera, selbst  AIDS hat der Mensch im Griff. Stattdessen sterben die Menschen heute an Herzkrankheiten und Krebs, einfach weil sie jetzt alt genug werden, um diese Erschöpfungskrankheiten zu bekommen
  • Und vom Krieg, was zunächst überraschen mag, aber der Autor hat auch hierzu Zahlen parat. 2010 starben 56 Millionen Menschen in einem Jahr; davon „nur“ etwa 600.000 durch Krieg. Das ist eine entsetzliche Zahl, aber eben nicht so existentiell wie früher.

Donnerwetter, denkt man, das sind ja lauter gute Nachrichten, auch wenn sich das bei den Abendnachrichten oft ganz anders anhört. Aber es wird noch besser. Nachdem die drei alten Probleme „im Prinzip“ erledigt sind, warten neue Ziele:

  • Der Kampf um Unsterblichkeit. Leider ist die Wissenschaft hier noch nicht wirklich weitergekommen, denn die Erhöhung der Lebenserwartung ist eine Folge der o.a. drei Erfolge
  • Der Kampf um das Glück, das sich erstaunlicherweise trotz der Erfolgsgeschichte der Spezies in seiner Summe nicht wirklich erhöht hat. Denn die Befriedigung steigt zwar, aber die Ansprüche noch viel mehr. Eingriff in die Biochemie zur Steigerung des Glücksempfindens führen zu Drogenproblemen und Kriminalität.

Beide Ziele zusammen subsummiert Hariri unter dem Begriff des „Homo deus“, des göttlichen Menschen, der unsterblich und glücklich ist. Allerdings ist es bis dahin noch ein langer Weg, dessen mögliche Etappen der Autor im Rest seines Buches diskutiert. Wir dürfen uns freuen, denn die  Implantierung von Ersatzteilen bis hin zu Gen-Reparaturen und die Entwicklung von Cyborgs bis hin zum Verlassen der physischen Existenzweise warten auf uns.

Freunde fantasievoller Science Fiction werden bei diesen Kapiteln zweifellos auf ihre Kosten kommen. Mich aber stört der ausgeprägte Technizismus dieses Buches. Die Idee des homo deus, eines Wesens, das sich selbst vervollkommnet, ist ja nicht schelcht, wenn sie sich etwa so darstellt, wie es Teilhard de Chardin als Punkt „Omega“ beschrieben hat, d. h. wenn die Moralität Gottes und der Menschen  am Ende der Geschichte koinzidiert. Davon ist aber im vorliegenden Buch nicht die Rede. Der in einer hoffentlich noch weit entfernte Zukunft projezierte vollkommene Mensch könnte ebenso „homo diablus“ heißen.

Ein Gedanke zu „Yuval Noah Hariri: Homo Deus.“

  1. Liebe Jolantha, ,

    eine interessante Frage. Ich habe zwei Bücher von ihm gelesen, die „kurze Geschichte der Welt“ und den „Homo deus“ und im Prinzip finde ich diese Bücher ganz anregend, wenngleich extrem technizistisch.
    Er ist in meinen Augen ein typischer Intellektueller, der dier Welt von ganz hoher Warte aus betrachtet. Von dieser welthistorischen Warte aus erscheinen ihm Nationen, Imperien und Wanderungsbewegungen wie vergängliche Wolken am Weltenhimmel. Ob er damit ein Ratgeber für die existentielle, konkrete Situation sein kann, in der wir uns gerade befinden, da habe ich meine Zweifel. In meinen Augen gleicht er einem Navigationsgerat mit einem so groben Maßstab, dass die Details dabei fast völlig verschwinden. Sein Erfolg gründet sich u.a. auch darauf, dass er sich mit diesen Details nicht sonderlich aufhält.
    Trotzdem, mit Einschränkungen und Vorkenntnissen, anregend zu lesen für die, die das große Karo mögen. Für KOnrad wahrscheinlich am ehesten geeignet der „Homo deus“.

    Liebe Grüße
    Adrian 4.1.2019

    Lieber Adrian,
    Was hälst du von den Büchern von Harari? Wie ist er so einzuordenen? Konrad möchte unbedingt von ihm ein Buch lesen, es wurde auf der Arbeit darüber geredet und sein Prof. bei dem er seine Master Arbeit schreiben möchte, hat er kürzlich ein Buch von ihm auf Amazon bewertet.
    Er äußert sich ja in seinen Büchern zu äußerst kritischen Themen wie die Flüchtlingsthematik.
    Vielen Dank und liebe Grüße,
    Jolantha 4.1.2019

Kommentar verfassen